a) Erteilung eines unbedingten Verfahrensauftrags
Rz. 12
Voraussetzung für die Entstehung einer Verfahrensgebühr ist zunächst, dass dem Rechtsanwalt ein unbedingter Verfahrensauftrag seitens des Klägers, des Beklagten, eines Streitgenossen oder eines Streithelfers erteilt ist. Ist dies schon nicht der Fall, kann überhaupt keine Verfahrensgebühr, auch keine nach VV 3101 reduzierte, entstehen.
Beispiel: Während eines laufenden Rechtsstreits erhält der Rechtsanwalt von dem anwaltlich bereits vertretenen Mandanten den Auftrag, die Prozessführung des bisher tätigen Prozessbevollmächtigten auf ihre Richtigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Noch bevor der insoweit beauftragte Rechtsanwalt tätig geworden ist, überlegt es sich der Mandant anders und zieht den Auftrag zurück.
In diesem Beispiel hat der Rechtsanwalt noch keinen Verfahrensauftrag erhalten; VV 3100, 3101 Nr. 1 findet daher keine Anwendung. Die auftragsgemäße Tätigkeit des Anwalts ist in diesem Fall am ehesten im Bereich Beratung bzw. Gutachten einzuordnen und damit – soweit keine Gebührenvereinbarung vorliegt – nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu vergüten (§ 34 Abs. 1).
Rz. 13
Beschränkt sich die Tätigkeit eines zum Prozessbevollmächtigten bestellten Anwalts auf die Empfangnahme des Urteils und das Kostenfestsetzungsverfahren, weil er erst nach der mündlichen Verhandlung in den Prozess eingetreten ist, so erwächst nur eine reduzierte Verfahrensgebühr nach VV 3100, 3101 i.H.v. 0,8. Auch in diesem Fall ist die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten beendet, bevor ein in Nr. 1 genanntes Tatbestandsmerkmal erfüllt werden konnte.
b) Beendigung des Auftrags
Rz. 14
Nr. 1 beschäftigt sich zum einen mit der Situation, dass die Angelegenheit, wegen derer der Rechtsanwalt beauftragt worden ist, erledigt ist, noch bevor der Rechtsanwalt eine weitergehende, d.h. in Nr. 1 beschriebene Tätigkeit entfalten konnte. Zum anderen betrifft Nr. 1 auch die Fälle, in denen dem Rechtsanwalt durch den Auftraggeber das Mandat entzogen wird bzw. er das Mandat von sich aus niederlegt, so dass sich die Angelegenheit aus diesem Grund für den Rechtsanwalt erledigt hat.
aa) Arten der Beendigung
Rz. 15
Die Beendigung des Auftrags kann beispielsweise durch Kündigung des Mandats durch den Auftraggeber, durch Niederlegung des Mandats durch den Rechtsanwalt, durch Erledigung der Angelegenheit (z.B. durch Klagerücknahme), durch Tod des Prozessbevollmächtigten oder Rückgabe seiner Zulassung erfolgen. Sie muss sich auf das konkrete Mandat beziehen. Der Zeitpunkt einer solchen Beendigung ist objektiv bestimmbar (z.B. durch Zugang der Kündigung, Zeitpunkt des Todes des Prozessbevollmächtigten oder Beendigung seiner Zulassung), so dass der Anwendungsbereich von VV 3101 objektiv abgegrenzt werden kann.
Rz. 16
Wird der Auftrag auf andere Weise als durch eine Kündigung seitens des Auftraggebers oder durch Niederlegung des Mandats beendet, wird für die Anwendung des Reduktionstatbestandes auf die Kenntnis des Rechtsanwalts abgestellt. Hier ist der in § 674 BGB zum Ausdruck gekommene Rechtsgedanke heranzuziehen, nach dem ein Auftrag selbst bei einem durch objektive Umstände bewirkten nachträglichen Erlöschen gleichwohl zugunsten des Beauftragten als fortbestehend gilt, bis der Beauftragte von dem Erlöschen Kenntnis erlangt oder das Erlöschen kennen muss. Entfaltet der Prozessbevollmächtigte nach dem Erlöschen, d.h. der Erledigung des Auftrags, in Unkenntnis dessen eine in VV 3101 Nr. 1 genannte Tätigkeit, z.B. Einreichen eines Schriftsatzes mit Sachanträgen, erwächst ihm die Verfahrensgebühr in voller Höhe. Folgerichtig erhält beispielsweise der Prozessbevollmächtigte des Beklagten keine weiteren Gebühren, wenn er nach Rücknahme der Klage und deren Kenntnisnahme noch weitere Tätigkeiten entfaltet, also etwa einen Abweisungsantrag stellt.
bb) Gebühren bei Erledigung der Hauptsache
(1) Erledigung der Hauptsache vor Antragstellung
Rz. 17
Erledigt sich der Auftrag nur hinsichtlich der Hauptsache, bevor der Anwalt eine der in VV...