a) Allgemeines
Rz. 132
Die Vorschrift der Anm. Abs. 2 ist im Zusammenhang mit Nr. 3 zu sehen. Sofern die Voraussetzungen der Nr. 3 gegeben sind, also an sich eine Ermäßigung eintreten würde, weil der Anwalt lediglich einen Antrag gestellt und eine Entscheidung entgegengenommen hat, wird diese Vorschrift wieder ausgeschlossen, wenn es sich um streitige Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt.
Rz. 133
Die eingefügte Anm. Abs. 2 stellt damit klar, dass der Ermäßigungstatbestand nur in solchen Verfahren anzuwenden ist, in denen besondere Sachanträge der Parteien nicht erforderlich sind. Im Umkehrschluss gilt, dass in den streitigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch dann – vorbehaltlich einer Ermäßigung nach Nr. 1 – die volle 1,3-Verfahrensgebühr beansprucht werden kann.
Es handelt sich hierbei nach dem Wegfall der Familiensachen und der Verfahren nach § 43 des Wohnungseigentumsgesetzes a.F. hauptsächlich um Verfahren nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen (siehe Rdn 138).
Rz. 134
Der Ausschlusstatbestand des Abs. 2 gilt ausschließlich für die Fälle der Nr. 3, nicht auch für die Fälle der Nr. 1 und 2.
Rz. 135
Abs. 2 gilt auch für die einstweiligen Anordnungsverfahren in streitigen Verfahren, soweit sie als Hauptsache ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wären. Auch dort löst die bloße Antragstellung bereits die volle 1,3-Verfahrensgebühr aus.
Rz. 136
Ergeht dagegen eine einstweilige Anordnung von Amts wegen, handelt es sich um eine eigene Angelegenheit, wie die Neufassung der Nr. 17 Nr. 4 jetzt klar stellt. Prüft der Anwalt diese nur und veranlasst nichts Weiteres, bleibt es bei der Ermäßigung nach Nr. 1 auf eine 0,8-Verfahrensgebühr. Auf Nr. 3 kommt es in diesem Fall nicht an. Auch Anm. Abs. 2 kann in diesem Fall die Ermäßigung nicht verhindern.
Rz. 137
Ungeachtet dessen darf die Nichtanwendbarkeit der Nr. 3 nicht dazu verleiten, voreilig der Auffassung zu sein, in streitigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entstehe immer die volle 1,3-Verfahrensgebühr. Auch hier ist eine Ermäßigung nach Nr. 1 und Nr. 2 möglich. Erforderlich für die volle 1,3-Gebühr nach VV 3100 bleibt daher auch hier, dass
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ein Antrag gestellt, |
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ein Termin wahrgenommen oder |
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ein Schriftsatz eingereicht wird, der
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den Sachvortrag, |
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den Antrag auf Zurückweisung des gegnerischen Antrags oder |
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die Antragsrücknahme |
enthält. |
Fehlt es daran, verbleibt es auch hier bei einer 0,8-Verfahrensgebühr. Dies ergibt sich dann aus Nr. 1, die durch die Anm. 2 nicht abbedungen ist.
b) Landwirtschaftssachen
Rz. 138
Landwirtschaftssachen sind zum Teil ZPO-Verfahren; dann kommt die Anwendung der Nr. 3 ohnehin nicht in Betracht, so dass es auf Anm. Abs. 2 nicht ankommt. Zum Teil handelt es sich aber auch um FG-Verfahren. Da diese Verfahren streitig geführt werden, gilt auch hier der Ausschluss der Nr. 3 nach Anm. Abs. 2.
Rz. 139
Ebenso ist Nr. 3 auch hier in Verfahren über einstweilige Anordnungen ausgeschlossen.
c) Sonstige Fälle
Rz. 140
Die Erwähnung der Landwirtschaftssachen ist im Gesetz nur beispielhaft aufgezählt. Dies folgt aus dem Zusatz "insbesondere": Die Ermäßigung nach Nr. 3 ist daher auch in anderen "streitigen" Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgeschlossen. Da die freiwillige Gerichtsbarkeit als solche keine "streitigen Verfahren" kennt, dürfte darauf abzustellen sein, ob das Verfahren im Einzelfall streitig geführt wird. Während dies bei Landwirtschaftssachen vom Gesetzgeber unumstößlich vermutet wird, ist in den übrigen Fällen eine Prüfung im Einzelfall erforderlich.
Dies ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift des Abs. 2. Lediglich die Fälle, in denen der Anwalt nicht mehr zu tun braucht, als den Antrag zu stellen und die Entscheidung entgegenzunehmen, sollen zur Ermäßigung führen. Muss der Anwalt sich dagegen in der Sache mit Einwendungen eines anderen Beteiligten auseinander setzen, wird die Ermäßigung ausgeschlossen, auch dann, wenn der Anwalt letztlich nicht mehr tut, als einen Antrag zu stellen.
Beispiel: Der Anwalt beantragt für seinen Mandanten die Erteilung eines Erbscheins. An dem Verfahren wird der Bruder des Mandanten beteiligt, der der Auffassung ist, er sei Erbe und in umfangreichen Schriftsätzen ausführt, wieso der Erbschein nicht erteilt werden dürfe. Der Anwalt nimmt die Schriftsätze entgegen und prüft diese. Er ist der Auffassung, es sei nichts zu veranlassen. Hiernach erlässt das Nachlassgericht den beantragten Erbschein.
Hier könnte man schon darüber streiten, ob der Anwalt "lediglich einen Antrag" gestellt oder ob er nicht mehr veranlasst hat, indem er die Schriftsätze der Gegenseite geprüft hat. Jedenfalls handelt es sich infolge der Einwendungen der Gegenseite um ein "streitiges Verfahren", so dass nach Anm. Abs. 2 die Anwendung der Nr. 3 ausgeschlossen ist.