(1) Erledigung der Hauptsache vor Antragstellung
Rz. 17
Erledigt sich der Auftrag nur hinsichtlich der Hauptsache, bevor der Anwalt eine der in VV 3101 Nr. 1 genannten Tätigkeiten ausgeführt hat, so kann neben der reduzierten Verfahrensgebühr aus dem Wert der Hauptsache die volle Verfahrensgebühr nach dem Wert der Kosten erwachsen. Die Summe der Gebühren darf jedoch nicht mehr betragen, als eine volle Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert (vgl. § 15 Abs. 3). Nimmt beispielsweise der Kläger nach Widerspruch des Beklagten gegen den Mahnbescheid und Abgabe des Verfahrens an das Streitgericht die Klage zurück, so kann der Beklagtenvertreter neben der reduzierten Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert für den Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 ZPO eine Verfahrensgebühr i.H.v. 1,3 aus dem Kostenwert verlangen.
Beispiel: Klage auf Zahlung von 10.000 EUR. Der Beklagte beauftragt seinen Rechtsanwalt. Noch bevor dieser einen Klageabweisungsantrag beim Gericht eingereicht hat, wird die Klage zurückgenommen. Der Rechtsanwalt des Beklagten stellt daraufhin den Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 ZPO, dem auch antragsgemäß stattgegeben wird. Die Gebühren des Rechtsanwalts des Beklagten berechnen sich wie folgt:
Streitwert: 10.000 EUR
1. |
0,8-Verfahrensgebühr, VV 3101 Nr. 1 |
491,20 EUR |
2. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Streitwert: bis 1.500 EUR; Kosten, d.h. die bis zur Klagerücknahme entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten beider Parteien, hier geschätzt) |
165,10 EUR |
Gesamt |
656,30 EUR |
Kontrolle gemäß § 15 Abs. 3: Die Summe aus 1. und 2. darf nicht mehr ergeben als eine 1,3- Verfahrensgebühr nach dem vollen Wert. Hier liegt die Grenze bei 798,20 EUR.
(2) Erledigung der Hauptsache im Termin
Rz. 18
Kündigt der Anwalt des Beklagten schriftsätzlich einen Sachantrag an, wird dann jedoch die Hauptsache in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt, erhält er die ungekürzte 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert. Die volle Gebühr entsteht auch dann, wenn beide Parteien schriftsätzlich die Erledigung der Hauptsache ankündigen, da eine solche Ankündigung noch keine Reduzierung des Streitwertes bewirkt. Die Anwälte haben also einen Verfahrensauftrag hinsichtlich der Hauptsache erhalten und sind in Wahrnehmung dieses Auftrages tätig geworden. Die an das Gericht gerichteten Schriftsätze enthalten Sachvortrag und führen zum Entstehen der vollen Verfahrensgebühr.
Rz. 19
Eine Reduzierung scheidet überdies aus, wenn der Rechtsanwalt den gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. Hierfür genügt die Anwesenheit beim oder nach Aufruf des Termins mit der Absicht, die Interessen des Mandanten zu vertreten. Das Stellen eines Antrags oder Erörtern in der Sache ist dabei nicht erforderlich.