1. Überblick

 

Rz. 113

Dadurch, dass Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Gegensatz zur BRAGO nicht mehr gesondert geregelt sind (früher: Geschäftsgebühr nach § 118 BRAGO, sofern keine gesonderten Regelungen bestanden), sondern ebenfalls die Gebühren nach VV 3100 ff. auslösen (siehe vormalige Überschrift zu VV Teil 3), würde der Anwalt auch in diesen Verfahren bereits die volle 1,3-Verfahrensgebühr (VV 3100) erhalten, wenn er dort lediglich einen Antrag stellt, ohne diesen zu begründen, und er später dann die Entscheidung des Gerichts entgegennimmt. Nach früherem Recht konnte in diesem Fall der Gebührenrahmen herabgesetzt werden bis zur Mindestgebühr von 5/10.

 

Rz. 114

Diesem Umstand, dass der geringe Aufwand und auch die geringe Verantwortung nicht mehr bei der Bemessung der Gebühr berücksichtigt werden können, will Nr. 3 Rechnung tragen, indem sie

in Familiensachen, die nur die Erteilung einer Genehmigung oder die Zustimmung des Familiengerichts zum Gegenstand haben oder
in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in dem lediglich ein Antrag gestellt und eine Entscheidung entgegengenommen wird

einen weiteren Fall der Gebührenermäßigung neben den Fällen der Nr. 1 und Nr. 2 anordnet. In Familiensachen (in Betracht kommen auch hier nur Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) und in sonstigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kommt es nämlich häufig vor, dass sich die Tätigkeit des Anwalts ausschließlich auf die Einholung einer Genehmigung oder die Stellung eines Antrags beschränkt und weitere Ausführungen nicht erforderlich sind. Dies wiederum kann seinen Grund zum einen darin haben, dass die entsprechenden Informationen dem Gericht bereits vorliegen, zum anderen darin, dass das Gericht von Amts wegen verpflichtet ist, die entsprechenden Ermittlungen anzustellen.

In der Begründung des Gesetzgebers zur früheren Fassung heißt es hierzu:[110]

Zitat

"Die Nummer 3 des Gebührentatbestandes soll verhindern, dass in nicht streitigen FGG-Verfahren, in denen sich die Tätigkeit des Anwalts darauf beschränkt, bei Gericht einen Antrag zu stellen und die Entscheidung entgegenzunehmen, die Gebühr mit einem Gebührensatz von 1,3 entsteht. Die Regelung soll z.B. angewendet werden, wenn der Rechtsanwalt einen Antrag auf Erteilung einer vormundschaftlichen Genehmigung stellt und die Entscheidung entgegennimmt. Die Regelung soll nicht anwendbar sein, wenn es sich um Streitverfahren nach dem FGG handelt. Dies soll durch Abs. 2 der Anm. klargestellt werden."

 

Beispiel: Das minderjährige Kind hat durch notariellen Kaufvertrag ein Grundstück übertragen erhalten. Der Kaufvertrag muss noch familiengerichtlich genehmigt werden. Der Rechtsanwalt reicht im Auftrag des Kindes beim Familiengericht den Kaufvertrag ein und beantragt die Erteilung der notwendigen Genehmigung. Das Gericht erteilt die erforderliche Genehmigung.

Es handelt sich um eine Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Da der Anwalt nur einen Antrag gestellt hat, ohne in der Sache vorzutragen, erhält er hierfür eine Verfahrensgebühr von 0,8.

 

Rz. 115

Anwendbar ist Nr. 3 zum einen für sämtliche Familiensachen, die nur die Einholung einer Genehmigung oder Zustimmung zum Gegenstand haben. Zum anderen gilt diese Vorschrift zunächst einmal auch für alle Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes wird dann erst in Anm. Abs. 2 vorgenommen, wonach die streitigen Verfahren nicht in den Anwendungsbereich der Nr. 3 fallen.

[110] BT-Drucks 15/1971, S. 212.

2. Familiensache, die nur die Erteilung einer Genehmigung oder die Zustimmung des Familiengerichts zum Gegenstand hat

 

Rz. 116

Die Ermäßigungsvorschrift der Nr. 3, 1. Alt., greift nur in Familiensachen, in denen es nur um die Erteilung einer Genehmigung oder die Zustimmung des Familiengerichts geht.

Der Begriff der Familiensache ist in § 111 FamFG geregelt. In Betracht kommen hier nur Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie z.B. folgende:

 

Rz. 117

Grundstücksgeschäfte (§§ 1643, 1821 BGB)

Alle Verträge, die auf den entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks oder eines Rechts an einem Grundstück gerichtet sind, sind genehmigungsbedürftig. Der für die praktische Anwendung am meisten relevanteste Fall ist der Kaufvertrag, durch den ein im Eigentum des Kindes stehendes Grundstück veräußert werden soll.

 

Rz. 118

Geschäfte über das Vermögen im Ganzen, Erbschaft, Erbteil, Pflichtteil (§§ 1643, 1822 Nr. 1 BGB)

Die Eltern bedürfen der Genehmigung des Familiengerichts zu einem Rechtsgeschäft, durch das das Kind zu einer Verfügung über das Vermögen im Ganzen, über eine Erbschaft, einen künftigen Erbteil oder einen Pflichtteil verpflichtet wird.

 

Rz. 119

Geschäfte, die auf den entgeltlichen Erwerb oder die Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts gerichtet sind (§§ 1643, 1822 Nr. 3 BGB)

Nach §§ 1643, 1822 Nr. 3 BGB ist für Eltern ebenfalls der entgeltliche Erwerb, nicht aber der unentgeltliche Erwerb genehmigungsbedürftig. Genehmigungsbedürftig ist auch die entgeltliche oder unentgeltliche Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts. Die Auflösung eines Erwerbsgeschäfts durch die Eltern ist allerdings nicht mehr genehmigungsbedürftig.

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