I. Allgemeines
Rz. 67
Nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO und § 105 Abs. 1 S. 1 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Nach § 84 Abs. 1 S. 2 VwGO und § 105 Abs. 1 S. 2 SGG sind die Beteiligten vorher anzuhören. Der früher hier ebenfalls geregelte Fall des § 130a VwGO ist nunmehr in VV 3202 Anm. Abs. 2 geregelt.
Rz. 68
Nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 erhält der Rechtsanwalt in diesen Fällen die volle Terminsgebühr nach VV 3104, da der Gesetzgeber erkannt hat, dass ein Grund, weshalb diese Fälle anders als die in Anm. Abs. 1 Nr. 1 genannten Fälle behandelt werden sollten, nicht ersichtlich ist.
Rz. 69
Ein mit den nach § 84 Abs. 1 S. 2 VwGO vergleichbarer Sachverhalt ist in § 93a Abs. 2 S. 1 VwGO geregelt. Nach dieser Vorschrift kann nach Abschluss von Musterverfahren i.S.v. § 93a Abs. 1 VwGO das Gericht nach Anhörung der Beteiligten über die wegen der Musterverfahren ausgesetzten Verfahren durch Beschluss entscheiden, wenn es einstimmig der Auffassung ist, dass diese Verfahren gegenüber den rechtskräftig entschiedenen Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und der Sachverhalt geklärt ist. Für dieses Anhörungsverfahren fehlt es aber an einer mit Anm. Abs. 1 Nr. 2 vergleichbaren Regelung. Nachdem diese Regelungslücke bereits in der BRAGO bestand und im Rahmen des RVG nicht beseitigt wurde, erhält der Rechtsanwalt in diesem Fall keine Terminsgebühr.
Rz. 70
Nach § 153 Abs. 4 S. 1 SGG kann das Landessozialgericht, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 S. 1 SGG, die Berufung durch Beschluss (ohne mündliche Verhandlung) zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. In diesem Fall erhielt der Rechtsanwalt nach § 116 Abs. 2 BRAGO noch eine halbe Verhandlungsgebühr. Auf die Übernahme dieser Regelung aus § 116 Abs. 2 BRAGO hat der Gesetzgeber aber ausweislich der Gesetzesbegründung bewusst verzichtet. Dies wird damit begründet, dass weder ein besonderer Aufwand des Anwalts ersichtlich ist, noch die Parteien eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verhindern können.
II. Entscheidung durch Gerichtsbescheid
Rz. 71
Voraussetzung für das Entstehen der Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 2 ist eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO oder § 105 Abs. 1 S. 1 SGG. Der Gerichtsbescheid wirkt nach § 84 Abs. 3 VwGO bzw. § 105 Abs. 3 SGG dann als Urteil, wenn nicht rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt wird. In diesem Fall erhält der Rechtsanwalt die volle Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 2. Wird mündliche Verhandlung beantragt, so entscheidet das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung. In diesem Fall entsteht die Terminsgebühr nach Vorb. 3 Abs. 3 i.V.m. VV 3104. Eine Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 2 entsteht nicht, wenn ein Beschluss nach § 161 VwGO, § 193 Abs. 1 S. 3 SGG ergangen ist, nachdem die Beteiligten im Anschluss an einen (Teil-)Abhilfebescheid die Hauptsache für erledigt erklärt haben. Bei Mitwirkung des Anwalts an der Erledigung i.S.d. VV 1002 kommt dann aber ggf. eine Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 1 in Betracht.
Rz. 72
Umstritten ist, ob die Terminsgebühr auch dann anfällt, wenn zwar zunächst ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO entschieden wird, nach Erlass des Gerichtsbescheids jedoch Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt wird und sich dann das Verfahren ohne eine solche erledigt. Teilweise wird vertreten, dass eine Terminsgebühr in einem solchen Fall nicht entsteht, sondern nur dann, wenn der Gerichtsbescheid das erstinstanzliche Verfahren beendet. Dies wird insbesondere damit begründet, dass der Gerichtsbescheid gemäß § 84 Abs. 3 VwGO als nicht ergangen gilt, wenn rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt wird. Es fehle dann an einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Das Verfahrensrecht setze sich im Kostenrecht fort. Nach zutreffender Auffassung kann jedoch auch hier eine Terminsgebühr abgerechnet werden. Die Regelung des Abs. 1 Nr. 2 setzt nicht voraus, dass der Gerichtsbescheid auch rechtskräftig wird, es reicht aus, dass im Verfahren zunächst durch Gerichtsbescheid entschieden wurde. Es gilt der Grundsatz, dass einmal entstandene Gebühren nicht wieder entfallen. Die andere Auffassung hätte zur Folge, dass die Beteiligten des Verfahrens ohne jegliches Kostenrisiko zunächst eine streitige Entscheidung des Gerichts abwarten könnten, um dann im Fall des (teilweisen) Unterliegens durch einen Antrag auf mündliche Verhandlung sowie entsprechende Verfahrenserledigung vor einer solchen die Terminsgebühr zu ersparen. Aus kostenrechtlicher Sicht würde es daher für den unterlegenen Beteiligten Sinn machen, nach Erlass des Gerichtsbescheides immer Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen und das Verfahren dann anderweitig zu erledigen. Dieselbe P...