a) Tatsächlicher Erlass eines Versäumnisurteils
Rz. 16
Der tatsächliche Erlass eines Versäumnisurteils ist nach der Formulierung in VV 3105 nicht erforderlich, so dass die reduzierte 0,5-Terminsgebühr auch dann anfällt, wenn kein Versäumnisurteil ergeht, sondern nur der Antrag gestellt wird. Zwar findet sich in der Begründung zum Entwurf des RVG die Anmerkung, dass nur eine 0,5-Terminsgebühr entstehen soll, wenn ein Versäumnisurteil "ergeht". Diese Formulierung in der Begründung geht jedoch noch auf den Vorentwurf zum RVG vom 27.8.2003 zurück, in dem in der Tat in VV 3105 noch von einem "Ergehen" eines Versäumnisurteils die Rede war. Nachdem aber nunmehr in VV 3105 der Erlass des Versäumnisurteils nicht mehr erwähnt ist, ist nicht davon auszugehen, dass diesem Punkt eine eigenständige Bedeutung zukommt.
Rz. 17
Kommt es später zu einer Verhandlung in Anwesenheit auch des Beklagten oder seines Prozessbevollmächtigten, so greift die Gebühr nach VV 3104 wieder ein.
Beispiel: Es ergeht aufgrund Säumnis des Beklagten im amtsgerichtlichen Termin ein Versäumnisurteil. Nach Einlegung eines Einspruchs erscheint der Beklagte im zweiten Verhandlungstermin und es wird streitig verhandelt.
Die zunächst für die Tätigkeit im Säumnisverfahren ergangene 0,5-Terminsgebühr erstarkt durch die nachfolgende Verhandlung in Anwesenheit des Beklagten zu einer 1,2-Terminsgebühr. Eine zusätzliche 0,5-Terminsgebühr kann neben dieser 1,2-Terminsgebühr wegen § 15 Abs. 2 nicht entstehen.
b) Erlass eines unechten Versäumnisurteils
Rz. 18
Ergeht ein unechtes Versäumnisurteil, also ein Versäumnisurteil gegen den Kläger, entsteht ebenfalls nur eine 0,5-Terminsgebühr.
Wird das unechte Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erlassen, was gemäß § 331 Abs. 3 S. 3 ZPO nur hinsichtlich einer Nebenforderung möglich ist, könnte man daran denken, dem Klägervertreter neben der 0,5-Terminsgebühr aus der Hauptforderung (VV 3105 Abs. 1 Nr. 2) noch eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Wert der (abgewiesenen) Nebenforderung zuzusprechen. Denn gemäß § 331 Abs. 3 S. 3 ZPO darf die abweisende Entscheidung über die Nebenforderung nur nach rechtlichem Gehör ergehen. Dagegen spricht aber, dass eine schriftliche Stellungnahme des Klägers der Erörterung mit dem Gericht in einem Termin nicht gleichgesetzt werden kann. Insofern ist der Wortlaut von VV 3105 Abs. 1 Nr. 2 zu beachten, der lediglich darauf abstellt, dass eine Entscheidung nach § 331 Abs. 3 ZPO ergeht und nicht darauf, ob diese Entscheidung auch eine (teilweise) Klageabweisung enthält bzw. welche konkreten Tätigkeiten der Klägervertreter im Vorfeld dieser Entscheidung vorgenommen hat. Auch für die abgewiesene Nebenforderung entsteht daher nur eine 0,5-Terminsgebühr nach VV 3105 Abs. 1 Nr. 2.
Rz. 19
Ergeht das unechte Versäumnisurteil gemäß § 331 Abs. 2 ZPO in einem Verhandlungstermin, weil das Vorbringen des Klägers ganz oder teilweise seinen Antrag nicht rechtfertigt, erhält der Klägervertreter aus dem Wert der zurückgewiesenen Ansprüche ebenfalls nur die reduzierte 0,5-Terminsgebühr. Die bisher hier vertretene Auffassung, wonach die Gebührenreduzierung nach VV 3105 in einem solchen Fall nicht einschlägig sei und die volle 1,2-Terminsgebühr anfiele, wird insoweit aufgeben. Für die Reduzierung nach VV 3105 ist allein darauf abzustellen, ob ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wurde, auch wenn dann später nicht das beantragte, sondern ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergeht. Diese Ansicht entspricht sowohl dem Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Regelung. Der Gesetzgeber hat die Gebührenreduzierung damit begründet, dass in bestimmten Fallkonstellationen regelmäßig von einem verminderten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts auszugehen sei und die Höhe der Gebühr dem Rechnung zu tragen habe. Dies greift auch im Fall eines unechten klageabweisenden Versäumnisurteils, sofern das Gericht dieses ohne vorherige Erörterung mangels Schlüssigkeit der Klage erlassen hat und der Rechtsanwalt tatsächlich lediglich Versäumnisurteil beantragt hatte. In diesem Fall wäre der Arbeitsaufwand identisch. Allerdings dürfte die Frage rein theoretischer Natur sein und in der Praxis unabhängig von der vertretenen Auffassung regelmäßig die volle 1,2-Terminsgebühr nach VV 3104 zu bejahen sein. Es ist in der Praxis schwer vorstellbar, dass der Klägervertreter zum gerichtlichen Termin erscheint und nach entsprechendem Hinweis des Gerichts auf die (teilweise) Unschlüssigkeit der Klage nicht versucht, diese Bedenken im Rahmen einer Erörterung auszuräumen und das Gericht von der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage zu überzeugen. Mit einer solchen Erörterung ist dann aber in der mündlichen Verhandlung mehr geschehen als nur der Antrag auf ein Versäumnisurteil, so dass VV 3105 bereits aus diesem Grunde nicht einschlägig ist.