Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Überblick
Rz. 471
Zum Begriff "Angelegenheit in der Zwangsvollstreckung" vgl. die Erläuterungen zu § 18 Abs. 1 Nr. 1 (siehe Rdn 92 ff.).
Durch die Verwendung des Begriffs "Vollstreckungstitel" ist klargestellt, dass neben Urteilen (§ 704 ZPO) auch die Zustellung von sonstigen Titeln (§ 794 ZPO) erfasst wird.
b) Angelegenheit
aa) Tätigkeiten in der Zwangsvollstreckung
Rz. 472
Für den im Rahmen der Zustellung eines Vollstreckungstitels, der dazugehörigen Vollstreckungsklausel oder der sonstigen in § 750 ZPO genannten Urkunden (z.B. Kündigung, Rechtskraftattest, Erbschein) tätigen Rechtsanwalt folgt aus § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 16, dass die dort genannten Tätigkeiten gebührenrechtlich solche der Zwangsvollstreckung sind. Das ergibt sich aus dem Wortlaut von § 19 Abs. 1 S. 1, 2. Alt.: "Zu ... dem Verfahren gehören ..."; denn gebührenrechtlich gehört die Zustellung eines Vollstreckungstitels, der dazugehörigen Vollstreckungsklausel oder der sonstigen in § 750 ZPO genannten Urkunden bereits zum Zwangsvollstreckungsverfahren.
bb) Erstmalige Beauftragung
Rz. 473
Der Rechtsanwalt, der erstmals mit einer der in § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 16 aufgeführten Tätigkeiten beauftragt wird, verdient dadurch die Verfahrensgebühr nach VV 3309. Ist der Rechtsanwalt nicht mit der Vollstreckung, sondern nur mit der Zustellung als Einzeltätigkeit beauftragt, entsteht die Verfahrensgebühr ebenfalls nur i.H.v. 0,3. Auch wenn hier VV 3403 für anwendbar gehalten wird (vgl. dazu VV 3403 Rdn 8), beträgt die Verfahrensgebühr nicht 0,8, sondern 0,3 wie bei der Verfahrensgebühr VV 3309. Denn wegen § 15 Abs. 6 darf der Rechtsanwalt hier keine höhere Gebühr erhalten als der Verfahrensbevollmächtigte in der Zwangsvollstreckung (VV 3403 Rdn 8).
cc) Weitere Beauftragung
Rz. 474
Dem Rechtsanwalt, der bereits aufgrund anderweitiger Tätigkeiten im Zwangsvollstreckungsverfahren die Verfahrensgebühr nach VV 3309 verdient hat, erwächst durch keine der in § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 16 genannten Tätigkeiten die Verfahrensgebühr nach VV 3309 erneut. Das gilt auch umgekehrt. Ist bereits durch die Zustellung die Gebühr VV 3309 erwachsen, entsteht die Gebühr VV 3309 für die anschließende Vollstreckungsmaßnahme nicht erneut. Hier muss dann eine Vollstreckungsmaßnahme nach den weiteren gesetzlichen Regelungen eine neue gebührenrechtliche Angelegenheit bilden.
Rz. 475
Auch der Rechtsanwalt, der bereits in dem dem Vollstreckungstitel zugrunde liegenden Erkenntnisverfahren als Prozessbevollmächtigter tätig war, erhält für die o.a. Tätigkeiten keine zusätzliche Gebühr. Diese sind vielmehr mit den Gebühren des Erkenntnisverfahrens abgegolten, weil diese Tätigkeiten nach § 19 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. noch zu dem Rechtszug gehören. Das Vorstehende gilt entsprechend für den mit der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung beauftragten Anwalt und die Gebühren nach VV Teil 3 Abschnitt 3 Unterabschnitt 4.
Rz. 476
Hinsichtlich der besonderen Problematik bei der Zustellung von einstweiligen Verfügungen, die auf ein Unterlassen gerichtet sind, (vgl. Rdn 59 ff.).
c) Erstattung
Rz. 477
Entsteht durch die Zustellung des Vollstreckungstitels, der Vollstreckungsklausel oder sonstiger zur Zwangsvollstreckung erforderlicher Urkunden die Verfahrensgebühr VV 3309 (siehe Rdn 96 ff.), ist diese vom Schuldner zu erstatten, wenn die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Durchführung der Zustellung erforderlich war. Das ist z.B. dann der Fall, wenn eine einstweilige Verfügung unverzüglich zugestellt werden musste und dies nur durch anwaltliche Zustellung möglich war oder wenn ein Titel im EU-Ausland mit Hilfe eines Rechtsanwalts zugestellt wird.
d) Zustellung anderer Urkunden
Rz. 478
Ist die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit durch Bankbürgschaft abhängig, gehört die Zustellung der Bürgschaftsurkunde oder bei Hinterlegung des Hinterlegungsscheins zwar nicht zu den Urkunden i.S.v. § 750 ZPO, sondern des § 751 Abs. 2 ZPO. Die Aufzählung in § 19 Abs. 1 S. 2 ist jedoch nicht abschließend, wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt. Da die Tätigkeit des Rechtsanwalts insoweit, ihrer Art und ihrem Umfang nach, aber mit den ausdrücklich in § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 16 genannten Zustellungen vergleichbar ist, muss § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 16 auf diese entsprechend angewendet werden. Für den Rechtsanwalt des Erkenntnisverfahrens ist die Zustellung dieser Urkunden daher mit den dort verdienten Gebühren abgegolten. Dies steht im Einklang damit, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts bei der Stellung und Rückgabe einer Sicherheit (z.B. durch Bürgschaft) noch zum Rechtszug gehört (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 7), also ebenfalls nicht gesondert vergütet wird. Für den im Erkenntnisverfahren nicht tätigen Rechtsanwalt gehört die Zustellung der Bürgschaftsurkunde...