Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Prozess- und Gebührenrecht
Rz. 37
Auch der Begriff des Beginns der Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung ist gebührenrechtlich anders als der prozessrechtliche nach der ZPO. Dies leuchtet ein, weil der prozessrechtliche Beginn grundsätzlich erst in dem Tätigwerden eines Vollstreckungsorgans liegt. Wollte man diesen Zeitpunkt zugrunde legen, müsste der mit der Vollstreckung beauftragte Anwalt seine Tätigkeit zunächst in einem gebührenleeren Raum ausüben, was insbesondere dann misslich wäre, wenn der Schuldner zwar nach Antragstellung, aber vor Tätigwerden des angegangenen Vollstreckungsorgans leistet und damit die Vollstreckung überflüssig wird.
Rz. 38
Alternativ bliebe nur die Anwendung von VV 2300, was aber zur Folge hätte, dass der Anwalt für Vorbereitungshandlungen eine höhere Gebühr erhielte als für die Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung selbst. Daher gilt der sich aus §§ 18 und 19 ergebende Grundsatz des Einbezugs auch bloßer Vorbereitungshandlungen, soweit kein gerichtliches oder behördliches Vorverfahren stattfindet, auch für die Zwangsvollstreckung. Auch die Zwangsvollstreckung lediglich vorbereitende Tätigkeiten können somit die Gebühr nach VV 3309 auslösen, wenn der Rechtsanwalt diese mit einem Vollstreckungsauftrag durchführt.
b) Vorgerichtliche Tätigkeit vor Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage
Rz. 39
Hingegen löst die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts vor Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage, einer negativen Feststellungsklage, einer Nichtigkeits- oder Restitutionsklage (§§ 579, 580 ZPO) bzw. einer auf § 826 BGB gestützten Schadensersatzklage wegen Titelerschleichung oder sonstigen Urteilsmissbrauchs die Geschäftsgebühr für das Betreiben des Geschäfts nach VV 2300 aus, weil der beauftragte Rechtsanwalt die materielle Rechtslage sowie die Beweislage in vollem Umfang durchdringen muss und sich der Bearbeitungsaufwand daher nicht von demjenigen unterscheidet, den der Rechtsanwalt hätte aufbringen müssen, wenn er vor Einleitung eines streitigen Erkenntnisverfahrens mit der zunächst außergerichtlichen Bearbeitung des Falls betraut worden wäre.
Rz. 40
Das gilt allerdings nur dann, wenn der Rechtsanwalt einen entsprechenden außergerichtlichen Vertretungsauftrag erhalten hat. Wird sogleich ein unbedingter Prozessauftrag zur Erhebung der Vollstreckungsgegenklage erteilt, entsteht für die vorgerichtliche Tätigkeit die Verfahrensgebühr VV 3101. Neben der Geschäftsgebühr VV 2300 kann keine Verfahrensgebühr nach VV 3309 in Ansatz gebracht werden. Denn eine Tätigkeit hinsichtlich des Vollstreckungsverfahrensrechts ist nicht zu entfalten. Die vorgerichtliche Tätigkeit bezieht sich vielmehr auf das materielle Recht.
Rz. 41
Mit einer ähnlichen Begründung hat das OLG Celle dem Anwalt, der sich für den Schuldner außergerichtlich gegen dessen Inanspruchnahme wendet, Gebühren nach VV 2300 statt nach VV 3309 zuerkannt.
c) Vollstreckungsauftrag und Informationsaufnahme
Rz. 42
Der gebührenrechtliche Beginn der Zwangsvollstreckung kann vor dem verfahrensrechtlichen Beginn der Zwangsvollstreckung liegen. Der Beginn der Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung liegt daher in der Regel in der nach Erteilung des Vollstreckungsmandats erfolgten Prüfung, ob die erforderlichen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen bzw. insbesondere in der Entgegennahme von für die Vollstreckung notwendigen Informationen. Es ist nicht erforderlich, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß §§ 750 ff. ZPO bereits vorliegen oder nachgewiesen sind oder der Rechtsanwalt eine nach außen erkennbare Tätigkeit entfaltet hat.