Rz. 466

Da dem Schuldner Gelegenheit zur freiwilligen Leistung gegeben werden muss, darf die Vollstreckungsandrohung – und natürlich erst recht die Auftragserteilung zur Zwangsvollstreckung – nicht verfrüht erfolgen. Wie lange der Gläubiger zuwarten, also dem Schuldner Gelegenheit geben muss, die titulierte Leistung ohne Zwangsvollstreckung zu erbringen, lässt sich nicht generell beantworten; dies hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab.[472] Der BGH[473] hat in zwei Entscheidungen eine Zahlungsaufforderung zwei Wochen nach Vergleichsschluss nicht als zu früh befunden. Zudem hat der BGH[474] in anderem Zusammenhang zu Recht ausgeführt, dass der Grundsatz, eine Partei müsse die Kosten niedrig halten, die sie von der Gegenseite erstattet verlangen will, nicht dazu führen darf, dass die Partei in ihren berechtigten Belangen, wie ihrem Interesse an einer schnellen Vollstreckung, beeinträchtigt wird.[475]

 

Rz. 467

Die Vorstellungen darüber, wann ein Tätigwerden des Gläubigers nicht mehr zu früh ist, sind höchst unterschiedlich.[476] Verfrüht ist sie sicherlich, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem noch Verhandlungen über die Modalitäten der Zahlung zwischen dem Schuldner und dem Empfangsberechtigten geführt werden.[477] Generelle Aussagen lassen sich schwer treffen, weil maßgeblich immer die Umstände des konkreten Einzelfalles sind; die von der Rechtsprechung für angemessen angesehenen Zeiten des Zuwartens sind eher zu lang bemessen.

 

Rz. 468

Ein verfrühtes Tätigwerden des Gläubigers ist aber dann unschädlich, wenn sich aufgrund des Verhaltens des Schuldners erweist, dass die Maßnahme im weiteren Verlauf doch erforderlich gewesen wäre.[478]

[472] BVerfG AGS 1999, 191 = NJW 1999, 778; OLG Düsseldorf JurBüro 1991, 116; Zöller/Seibel, § 788 Rn 9b m.w.N.; zusammenf. Weinert, Rpfleger 2005, 1, 3 f.
[473] BGH 18.7.2003 – IXa ZB 146/03, AGS 2003, 561 = Rpfleger 2003, 596; BGH 10.10.2003 – IXa ZB 183/03, FamRZ 2004, 101; ebenso AG Esslingen AGS 2010, 360.
[474] BGH 15.3.2007 – V ZB 77/06, AGS 2007, 373, 375 = JurBüro 2007, 379.
[475] Vgl. auch LG Saarbrücken 5.3.2018 – 5 T 88/18.
[476] BGH 18.7.2003 – IXa ZB 146/03, AGS 2003, 561 = Rpfleger 2003, 596: zwei Wochen nach Vergleichsschluss ist nicht verfrüht; LG Karlsruhe MDR 2004, 1081: nicht vor Ablauf von zwei Wochen nach Mitteilung über nicht erfolgten Widerruf des Vergleichs; LG Saarbrücken NJW-RR 2010, 491: solange noch Verhandlungen über Zahlungsmodalitäten laufen.
[478] KG JurBüro 2001, 18; OLG Schleswig JurBüro 1999, 609; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3309 Rn 441; Zöller/Seibel, § 788 Rn 9b; MüKo/Karsten Schmidt, ZPO, § 788 Rn 22a.

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