Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Dieselbe Angelegenheit
Rz. 31
Mehrere Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, über die Aufhebung der Prozesskostenhilfe (§ 124 ZPO) oder der Abänderung der Prozesskostenhilferatenzahlung (§ 120a ZPO) in demselben Rechtszug gehören zu derselben Angelegenheit (§ 16 Nr. 3). Der Anwalt erhält die Gebühren (VV 3335, ggf. Termins- und Einigungsgebühr) insgesamt nur einmal, § 15 Abs. 2. Gemeint sind damit die Prozesshilfeverfahren innerhalb derselben Instanz und nicht die im Beschwerdeverfahren. Mit Rechtszug i.S.d. Nr. 3 ist derjenige Rechtszug i.S.d. § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO gemeint, für den die bewilligte Prozesskostenhilfe gilt. Soweit nach § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO für eine neue Instanz ein neuer Antrag gestellt werden muss, löst dieser daher eine neue Angelegenheit aus, die allerdings nach § 16 Nr. 2 wiederum mit der Hauptsache eine Angelegenheit bildet. Bedeutsam wird dies etwa, wenn für ein Rechtsmittel Prozesskostenhilfe beantragt wird, das Gericht die Bewilligung ablehnt und es daher nicht zur Einlegung des Rechtsmittels kommt. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn in der gleichen Angelegenheit ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erneut gestellt wird, nachdem der inhaltsgleiche Antrag zuvor abgelehnt worden war.
Beispiel: Nach erstinstanzlicher Verurteilung beantragt der Anwalt für seine Partei zur Durchführung der Berufung PKH, die nicht bewilligt wird.
Neben den Gebühren für das erstinstanzliche Verfahren erhält der Anwalt für den PKH-Antrag im Berufungsverfahren die Verfahrensgebühr nach VV 3335.
2. Erledigung des früheren Auftrags seit mehr als zwei Kalenderjahren – § 15 Abs. 5 S. 2
Rz. 32
Eine Ausnahme gilt nach § 15 Abs. 5 S. 2, wenn seit Erledigung des früheren Auftrags mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind. Dann kann z.B. das der Hauptsache nachfolgende Überprüfungsverfahren gem. § 120a ZPO entgegen § 16 Nr. 2, 3 eine neue Angelegenheit bilden, wenn das Überprüfungsverfahren später als zwei Kalenderjahre nach Erledigung der Hauptsache beginnt. Zwar gehört das Überprüfungsverfahren prozessual zum Rechtszug der Hauptsache, so dass dann gem. § 172 Abs. 1 ZPO Zustellungen an den Prozessbevollmächtigten der Partei zu erfolgen haben, wenn dieser die Partei im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten hat. Daraus ist aber nicht zu schließen, dass das Überprüfungsverfahren nach Ablauf der in § 15 Abs. 5 S. 2 genannten Frist nicht zu einer neuen Angelegenheit werden kann. Der prozessuale und der kostenrechtliche Rechtszug können auseinanderfallen.
Rz. 33
Problematisch ist allerdings, dass § 15 Abs. 5 S. 2 auf die Erledigung des früheren Auftrags abstellt. Wenn der Rechtsanwalt deshalb mit der Beantragung von Prozesskostenhilfe und nach deren Bewilligung mit der Vertretung in der Hauptsache beauftragt war, stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt dieser Auftrag erledigt war. Für den Begriff der Auftragserledigung kann auf die Definition der Erledigung in § 8 Abs. 1 S. 1 zurückgegriffen werden. Die Regelungen zur Fälligkeit in § 8 Abs. 1 spielen hierbei keine Rolle. Der Auftrag ist erledigt, wenn der Rechtsanwalt seinen Verpflichtungen aus dem Anwaltsdienstvertrag nachgekommen ist. Wenn der Rechtsanwalt daher mit der Vertretung in der Hauptsache beauftragt war, ist dieser Auftrag mit deren Abschluss erledigt. Wenn die Tätigkeit im Verfahren gem. § 120a ZPO deshalb mehr als zwei Kalenderjahren später beginnt, gilt diese Tätigkeit als neue Angelegenheit.
Rz. 34
Weil Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren nicht bewilligt werden kann, ist allerdings die im Überprüfungsverfahren gem. § 120a ZPO nach dem Kosteninteresse (§ 23a Abs. 1 Hs. 2) anfallende Verfahrensgebühr VV 3335 nicht aus der Landeskasse, sondern vom Mandanten zu erstatten.
Beispiel: Im April 2017 ist ein Verfahren abgeschlossen worden. Im August 2019 schreibt das Gericht den Mandanten zum Zweck der Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse an, § 120a ZPO. Der Mandant beauftragt seinen früheren Prozessbevollmächtigten.
Da noch keine zwei Kalenderjahre vergangen sind – das wären die Kalenderjahre 2018 und 2019, gilt der neue Auftrag nicht nach § 15 Abs. 5 S. 2 als neue Angelegenheit. Erst ab dem 1.1.2020 wäre § 16 Nr. 3 nicht mehr anwendbar und erhielte der Anwalt für das Abänderungsverfahren die Vergütung nach VV 3335.