Rz. 128
Die Übersendung der Handakten muss mit gutachterlichen Äußerungen verbunden sein. Ein ausführliches Gutachten über die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels ist nicht erforderlich. Umgekehrt genügt die bloße Wiedergabe des Sachverhaltes nicht. Die Ausführungen müssen ein Mindestmaß an eigener Stellungnahme in rechtlicher Hinsicht enthalten.
Rz. 129
Abzugrenzen ist die Gebühr der Anm. zu VV 3400 von den Gebühren nach § 34 Abs. 1 und VV 2100 ff. Die Anm. zu VV 3400 geht den Vorschriften der § 34 Abs. 1 und VV 2100 ff. vor und schließt diese aus. Die Abgrenzung zu den VV 2101 ff. richtet sich nach dem Inhalt des erteilten Auftrags. Soll der Anwalt ein umfassendes Gutachten über die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels erstellen und dieses Gutachten dem Rechtsmittelanwalt zur Verfügung stellen, so gelten die VV 2101, 2103. Soll er die Erfolgsaussicht prüfen, gelten die VV 2100, 2102. Soweit er nur gutachterliche Stellungnahmen abgeben soll, ist Anm. zu VV 3400 anzuwenden.
Rz. 130
Die Gebühr der Anm. zu VV 3400 geht bei weiterer Tätigkeit als Verkehrsanwalt im Rechtsmittelverfahren in der Verkehrsgebühr auf; die Gebühren nach VV 2100 ff. 2103 wiederum sind auf eine spätere Verkehrsanwaltsgebühr anzurechnen (Anm. zu VV 2100; Anm. zu VV 2102). Auch im Falle des § 34 Abs. 1 ist eine Anrechnung vorgesehen, sofern nichts Abweichendes vereinbart ist (§ 34 Abs. 2).
Rz. 131
Die gutachterlichen Äußerungen müssen anlässlich der Übersendung der Handakten abgegeben werden. Spätere Stellungnahmen erfüllen den Tatbestand der Anm. zu VV 3400 grundsätzlich nicht. Nicht zwingend ist jedoch, dass die gutachterliche Stellungnahme unmittelbar mit der Handaktenübersendung verbunden ist. Ausreichend ist ein enger zeitlicher Zusammenhang. Daher genügt es, wenn die Stellungnahme versehentlich der Handaktenübersendung nicht beigefügt war und sofort nachgeschickt wird, oder wenn die Handakten vorab übersandt werden mit der Ankündigung, die Stellungnahme in den nächsten Tagen nachzureichen. Die gutachterliche Stellungnahme muss aber so rechtzeitig beim Rechtsmittelanwalt eingehen, dass er diese bei seiner ersten Durchsicht der Prozessunterlagen berücksichtigen kann.
Rz. 132
Wird im späteren Verlauf das Rechtsmittel erweitert oder von einem weiteren Beteiligten Rechtsmittel oder Anschlussrechtsmittel eingelegt, dann muss auch eine spätere Stellungnahme ausreichen.
Beispiel: Der Kläger erteilt dem Rechtsmittelanwalt den Auftrag, gegen die Abweisung der Klage Rechtsmittel einzulegen, und beauftragt den erstinstanzlichen Anwalt, hierzu die Handakten nebst gutachterlichen Äußerungen dem Rechtsmittelanwalt zu übersenden. Später legt der Beklagte Anschlussberufung wegen Abweisung der Widerklage ein. Der erstinstanzliche Anwalt wird daraufhin erneut mit dem Verfassen gutachterlicher Äußerungen beauftragt.
Der Anwalt erhält auch hierfür die Vergütung nach Anm. zu VV 3400, allerdings unter Beachtung des § 15 Abs. 6. Er erhält also eine Gebühr aus dem Gesamtwert von Klage und Widerklage (§ 22 Abs. 1, § 45 GKG).
Rz. 133
Die gutachterliche Äußerung muss gegenüber dem Rechtsanwalt des höheren Rechtszugs abgegeben werden. Die Abgabe von gutachterlichen Äußerungen gegenüber der Partei, etwa über die Aussichten des Rechtsmittels oder die Unterbreitung eines Vorschlags über die weitere Vorgehensweise, genügt selbst dann nicht, wenn die Partei diese gutachterlichen Äußerungen dem Rechtsmittelanwalt später vorlegt.