1. Verfahren nach VV Teil 3
Rz. 122
Auch die Gebühr nach Anm. zu VV 3400 gilt nur für Angelegenheiten des VV Teils 3. Insoweit gilt das Gleiche wie zu VV 3400 (siehe Rdn 16 ff.).
2. Übersendung an einen Anwalt höherer Instanz
Rz. 123
Voraussetzung für die Anwendung der Anm. zu VV 3400 ist, dass der Anwalt die Handakten mit gutachterlichen Äußerungen an den Bevollmächtigten eines höheren Rechtszugs übersendet. Die Versendung an einen Anwalt gleicher Instanz ist nicht nach Anm. zu VV 3400 zu vergüten. Soweit der Anwalt hier die Übersendung mit gutachterlichen Äußerungen verbindet, ist seine Tätigkeit durch die Verfahrensgebühr abgegolten (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 17).
Beispiel: Der Rechtsstreit wird vom LG Bielefeld an das LG Bremen verwiesen. Der Bielefelder Anwalt übersendet die Akten an den neuen Bremer Prozessbevollmächtigten.
Der Bielefelder Anwalt erhält für die Übersendung der Handakten keine gesonderte Vergütung. Seine Tätigkeit wird vielmehr nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 17 durch die Verfahrensgebühr abgegolten.
Rz. 124
Der Anwalt der höheren Instanz muss Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter sein. Das ergibt sich aus der Verweisung auf die Verfahrensgebühr. Nicht erforderlich ist, dass der empfangende Anwalt das Rechtsmittel auch einlegt oder durchführt. Dies hat allenfalls einen Einfluss auf die Höhe der Gebühr (siehe Rdn 136 ff.). Es reicht aus, dass er mit der Durchführung des Rechtsmittels beauftragt war und sich der Auftrag vorzeitig erledigt hat.
Rz. 125
Unter "höherer Instanz" ist nicht nur die Berufungs- oder Revisionsinstanz zu verstehen, sondern auch die Beschwerdeinstanz.
Rz. 126
Nicht erforderlich ist, dass die Akten an den Anwalt der nächsten Instanz übersandt werden. Die Gebühr der Anm. zu VV 3400 fällt auch dann an, wenn der erstinstanzliche Anwalt seine Handakten vom Berufungsanwalt zurückerhalten hat und sie dann zusammen mit gutachterlichen Äußerungen dem Revisionsanwalt übersendet.
3. Übersendung der Handakten
Rz. 127
Der Rechtsanwalt muss seine Handakten übersenden, die Übersendung anderer Akten, etwa der Gerichtsakten, die er zur Einsichtnahme angefordert hatte, reicht nicht aus. Der Anwalt muss allerdings nicht seine kompletten Handakten übersenden. Es genügt, dass er Teile oder Kopien seiner Handakten übersendet, sofern sich der Anwalt des höheren Rechtszugs hieraus ein umfassendes Bild vom Verfahrensablauf der unteren Instanz machen kann.
4. Gutachterliche Äußerungen
Rz. 128
Die Übersendung der Handakten muss mit gutachterlichen Äußerungen verbunden sein. Ein ausführliches Gutachten über die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels ist nicht erforderlich. Umgekehrt genügt die bloße Wiedergabe des Sachverhaltes nicht. Die Ausführungen müssen ein Mindestmaß an eigener Stellungnahme in rechtlicher Hinsicht enthalten.
Rz. 129
Abzugrenzen ist die Gebühr der Anm. zu VV 3400 von den Gebühren nach § 34 Abs. 1 und VV 2100 ff. Die Anm. zu VV 3400 geht den Vorschriften der § 34 Abs. 1 und VV 2100 ff. vor und schließt diese aus. Die Abgrenzung zu den VV 2101 ff. richtet sich nach dem Inhalt des erteilten Auftrags. Soll der Anwalt ein umfassendes Gutachten über die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels erstellen und dieses Gutachten dem Rechtsmittelanwalt zur Verfügung stellen, so gelten die VV 2101, 2103. Soll er die Erfolgsaussicht prüfen, gelten die VV 2100, 2102. Soweit er nur gutachterliche Stellungnahmen abgeben soll, ist Anm. zu VV 3400 anzuwenden.
Rz. 130
Die Gebühr der Anm. zu VV 3400 geht bei weiterer Tätigkeit als Verkehrsanwalt im Rechtsmittelverfahren in der Verkehrsgebühr auf; die Gebühren nach VV 2100 ff. 2103 wiederum sind auf eine spätere Verkehrsanwaltsgebühr anzurechnen (Anm. zu VV 2100; Anm. zu VV 2102). Auch im Falle des § 34 Abs. 1 ist eine Anrechnung vorgesehen, sofern nichts Abweichendes vereinbart ist (§ 34 Abs. 2).
Rz. 131
Die gutachterlichen Äußerungen müssen anlässlich der Übersendung der Handakten abgegeben werden. Spätere Stellungnahmen erfüllen den Tatbestand der Anm. zu VV 3400 grundsätzlich nicht. Nicht zwingend ist jedoch, dass die gutachterliche Stellungnahme unmittelbar mit der Handaktenübersendung verbunden ist. Ausreichend ist ein enger zeitlicher Zusammenhang. Daher genügt es, wenn die Stellungnahme versehentlich der Handaktenübersendung nicht beigefügt war und sofort nachgeschickt wird, oder wenn die Handakten vorab übersandt werden mit der Ankündigung, die Stellungnahme in den nächsten Tagen nachzureichen. Die gutachterliche Stellungnahme muss aber so rechtzeitig beim Rechtsmittelanwalt eingehen, dass er diese bei seiner ersten Durchsicht der Prozessunterlagen berücksichtigen kann.
Rz. 132
Wird im späteren Verlauf das Rechtsmittel erweitert oder von einem weiteren Beteiligten Rechtsmittel oder Anschlussrechtsmittel eingelegt, dann muss auch eine spätere Stellungnahme ausreichen.
Beispiel: Der Kläger erteilt dem Rechtsmittelanwalt den Auftrag, gegen die Abweisung der Klage Rechtsmittel einzulegen, und beauftragt den erstinstanzlichen Anwalt, hierzu ...