a) Überblick
Rz. 147
In verschiedenen Verfahrensabschnitten kann der Anwalt dagegen die Zusätzliche Gebühr nach VV 4141 ungeachtet des Zeitablaufs mehrmals verdienen. Dies gilt insbesondere für das vorbereitende Verfahren (Unterabschnitt 2) einerseits und das gerichtliche Verfahren (Unterabschnitt 3) andererseits, aber auch für das Berufungsverfahren.
b) Doppelter Anfall der Zusätzlichen Gebühr
Rz. 148
Wird die Sache im vorbereitenden Verfahren zunächst nicht nur vorläufig eingestellt und kommt es zur Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens, das dann ins gerichtliche Verfahren übergeht, sei es durch Anklage oder durch Erlass eines Strafbefehls, so fällt die bereits entstandene Zusätzliche Gebühr nicht weg, sondern bleibt bestehen. Es entsteht dem Verteidiger dann zusätzlich zu der bereits verdienten Zusätzlichen Gebühr nach VV 4141, 4104 eine weitere Verfahrensgebühr nach VV 4106, 4112 oder 4118 für das gerichtliche Verfahren. Wird hier der Tatbestand der VV 4141 erneut verwirklicht, dann entsteht auch hier nochmals eine Zusätzliche Gebühr nach VV 4141 i.V.m. VV 4106, 4112 oder 4118 und kann neben der im vorbereitenden Verfahren bereits verdienten Zusätzlichen Gebühr geltend gemacht werden. Eine Anrechnung der Gebühren findet nicht statt.
Rz. 149
Hauptanwendungsfall ist der der erneuten Einstellung im gerichtlichen Verfahren.
Beispiel: Das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wird mangels Tatverdacht nach § 170 Abs. 2 StPO auf Betreiben des Verteidigers eingestellt. Auf die Beschwerde des Anzeigenerstatters werden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Es wird Anklage erhoben. Außerhalb der Hauptverhandlung erreicht der Verteidiger eine Einstellung nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße, die auch geleistet wird, sodass das Verfahren endgültig eingestellt wird.
Da die Sache im vorbereitenden Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt worden ist, hat der Verteidiger dort nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 eine volle Gebühr verdient. Im gerichtlichen Verfahren entsteht die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1. Der Verteidiger erhält daher folgende Vergütung:
I. Vorbereitendes Verfahren
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
|
220,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, VV 4104 |
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181,50 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, VV 4141, 4106 |
|
181,50 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
603,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
114,57 EUR |
Gesamt |
|
717,57 EUR |
II. Gerichtliches Verfahren
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4106 |
|
181,50 EUR |
2. |
Zusätzliche Gebühr, VV 4141, 4106 |
|
181,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
383,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
72,77 EUR |
Gesamt |
|
455,77 EUR |
Rz. 150
Ebenso verhält es sich, wenn die Sache im vorbereitenden Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird, die Sache dann aber wieder aufgenommen wird und das Gericht die Nichteröffnung des Hauptverfahrens beschließt.
Beispiel: Die Staatsanwaltschaft stellt die Sache im vorbereitenden Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Später nimmt sie das Verfahren wieder auf und erhebt Anklage. Das Gericht lehnt die Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 204 StPO ab.
Da die Sache im vorbereitenden Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt worden ist, hat der Verteidiger dort nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 eine volle Gebühr verdient. Im gerichtlichen Verfahren entsteht die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 2. Abzurechnen ist wie im vorherigen Beispiel.
Rz. 151
Ebenso verhält es sich, wenn nach Wiederaufnahme ein Strafbefehl erlassen und dagegen zunächst Einspruch eingelegt, dieser aber später wieder zurückgenommen wird, oder wenn später im Berufungsverfahren die Berufung zurückgenommen wird.
Rz. 152
Das Gleiche gilt, wenn nach Wiederaufnahme ein Strafbefehl erlassen wird, der Verteidiger den Einspruch jedoch auf die Höhe des Tagessatzes beschränkt, sodass nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann.
c) Dreifacher Anfall der Zusätzlichen Gebühr
Rz. 153
Möglich ist sogar, dass die Zusätzliche Gebühr dreimal anfällt, nämlich bei einer nicht nur vorläufigen Einstellung im vorbereitenden Verfahren, anschließender Nichteröffnung, gegen die von der Staatsanwaltschaft erfolgreich Beschwerde eingelegt wird, und späterer Berufungsrücknahme.
Beispiel: Aufgrund einer Strafanzeige hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagte eingeleitet, in dem sich Rechtsanwalt R zum Verteidiger bestellt hatte. Er hatte schriftsätzlich Stellung genommen und die Einstellung des Verfahrens beantragt. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2...