Rz. 125
Im Revisionsverfahren erhält der Anwalt nunmehr ebenfalls die Zusätzliche Gebühr nach VV 4141, wenn die Revision zurückgenommen wird. Auch hier muss es sich nicht um die Rücknahme des eigenen Rechtsmittels handeln (vgl. Rdn 117 ff.). Zum Begriff der Förderung kann auf die Ausführungen zum Berufungsverfahren Bezug genommen werden (siehe Rdn 113 ff.).
Rz. 126
Kontrovers diskutiert wir hier die Frage, ob im Revisionsverfahren die Rücknahme stets ausreichend ist. Obwohl der Gesetzeswortlaut eindeutig ist und keine weiteren Voraussetzungen aufstellt, interpretiert die Rechtsprechung ein weiteres unbeschriebenes Tatbestandsmerkmal hinein, nämlich dass eine Hauptverhandlung bereits anberaumt sein müsse oder zumindest eine solche zu erwarten gewesen sei.
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Dass eine Hauptverhandlung bereits anberaumt gewesen sein muss, wird nicht vertreten. |
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Vertreten wird aber, dass die Revision zuvor bereits begründet worden sein muss, wobei es zum Teil als ausreichend angesehen wird, dass die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. |
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Nach anderer Auffassung müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre, was in der Regel eine vorherige Begründung der Revision voraussetzte. |
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Nach OLG München setzt die Zusätzliche Gebühr voraus, dass die zulässige Revision vor der Revisionsrücknahme fristgerecht begründet wurde. Ferner setzt sie voraus, dass eine Revisionshauptverhandlung anberaumt wurde oder zumindest konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass eine Revisionshauptverhandlung durchgeführt worden wäre, die durch die rechtzeitige und durch anwaltliche Tätigkeit bewirkte Rücknahme der Revision entbehrlich wurde. |
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Nach LG Göttingen muss sich der Anwalt zumindest mit der Sache beschäftigt haben. |
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Nach LG Aschaffenburg soll durch die Rücknahme der Revision zwar grundsätzlich die Zusätzliche Gebühr entstehen; es müsse jedoch eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit erkennbar sein, die über eine nach VV 4130, 4131 zu vergütende Tätigkeit hinausgehe. |
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Nach OLG Hamburg muss beurteilt werden können, ob eine Revisionshauptverhandlung durchgeführt worden wäre. Diese Beurteilung sei in der Regel erst dann möglich, wenn das Revisionsverfahren bei dem Revisionsgericht anhängig geworden ist. |
Rz. 127
Begründet werden diese Ansichten damit, dass im Revisionsverfahren die Hauptverhandlung den Ausnahmefall darstelle und daher bei Rücknahme einer Revision in der Regel gar keine Hauptverhandlung vermieden werde. Diese Auffassungen unterstellen dem Gesetzgeber, dass er dies übersehen habe und folgert daraus, dass die Vorschrift der Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3 restriktiv ausgelegt werden müsse.
Ich halte dies angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlautes für unzutreffend. Die Zusätzliche Gebühr bei Rücknahme der Revision setzt weder eine vorher erfolgte Revisionsbegründung noch einen bereits anberaumten Revisionshauptverhandlungstermin voraus.
Wenn der Gesetzgeber hier eine weitere Einschränkung gewollt hätte, dann hätte er dies erklärt. Die Regelungen der VV 4141 und VV 5115 sind äußerst detailliert, sodass m.E. keine Veranlassung besteht, die Vorschriften entgegen ihrem Wortlaut restriktiv auszulegen. Im Übrigen ist die Vermeidung der Hauptverhandlung nicht das einzige erklärte Ziel des Gesetzgebers. Die Zusätzliche Gebühr entsteht nämlich nicht nur bei Vermeidung einer Hauptverhandlung, sondern auch bei einer sonstigen Erledigung des Verfahrens. So ist nämlich im vorbereitenden Verfahren und in Verfahren vor der Verwaltungsbehörde ebenfalls keine Hauptverhandlung vorgesehen; dennoch erhält der Verteidiger auch hier die Zusätzliche Gebühr, wenn er an einer Erledigung des Verfahrens mitwirkt.
Rz. 128
Gegen die eingeschränkte Auslegung sprechen auch Sinn und Zweck des Gesetzes. Auch wenn das Gericht eine Hauptverhandlung nicht durchführt, muss es die Revision prüfen und darüber entscheiden. Dieser Mehraufwand wird durch die Rücknahme vermieden.
Rz. 129
So reicht es nach Auffassung einiger Gerichte auch zur Entstehung der Zusätzlichen Gebühr aus, wenn der Rechtsanwalt dem Mandanten nach Einlegung der Revision rät, diese wieder zurückzunehmen; auf eine vorherige Begründung der Revision komme es nicht an. Die Mitwirkung des Rechtsanwaltes müsse sich auch nicht aus der Gerichtsakte ergeben. Ebenso LG Göttingen, wonach die Gebühr der Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3 im Fall der Rücknahme der Revision entsteht, wenn der Verteidiger sich inhaltlich mit dem Verfahren beschäftigt und zumindest Anstrengungen unternommen hat, es in sachlicher Hinsicht zu fördern. Dazu sei zumindest erforderlich, dass sich der Verteidiger mit seinem Mandanten über die Erfolgsaussichten der Revision ernsthaft beraten habe.
Rz. 130
Das OLG Düsseldorf vertritt eine vermittelnde Auffassung. Zwar sei die im Anschluss an die gebührenrechtlich neutrale Einlegung der Revision vorzunehmende prüfende und beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts wird bereits ...