1. Allgemeines

 

Rz. 156

Im Gegensatz zum bisherigen Recht wird nicht der Gebührenrahmen als solcher erhöht mit der Möglichkeit, nach § 14 Abs. 1 die angemessene Gebühr zu bestimmen. Vielmehr erhält der Anwalt zukünftig eine Zusätzliche Gebühr, die neben den sonstigen Gebühren anfällt.

2. Festgebühr

 

Rz. 157

Bei der Gebühr nach VV 4141 handelt es sich um eine Festgebühr. Es besteht hinsichtlich der Höhe der Gebühr kein Ermessensspielraum.[163] Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 ist nicht anwendbar. Der Anwalt erhält hier jeweils eine Mittelgebühr. Eine Möglichkeit, besonders hohen Aufwand oder erhebliche Schwierigkeiten oder besonders geringen Aufwand oder unterdurchschnittliche Schwierigkeiten zu berücksichtigen, besteht nicht.

 

Rz. 158

Die gegenteilige Auffassung[164] ist unzutreffend. Dies folgt aus der Anm. Abs. 3 S. 2, in der es heißt: "Für den Wahlanwalt bestimmt sich die Gebühr nach der Rahmenmitte." In der Begründung des Gesetzes ist dies leider – wie so häufig – nicht klar zum Ausdruck gekommen. Dort heißt es, dass "grundsätzlich" von der Mittelgebühr auszugehen sei. Die Vorschrift der Anm. Abs. 3 S. 2 macht jedoch nur dann Sinn, wenn man sie mit der einhelligen Kommentarliteratur dahingehend auslegt, dass immer die Mittelgebühr geschuldet sei. Auch Sinn und Zweck dieser Regelung sprechen dafür. Der Gesetzgeber wollte an dieser Stelle bewusst den Streit über die Bemessung der Zusätzlichen Gebühr vermeiden, indem er von Vornherein einen bestimmten Satz, nämlich die jeweilige Mittelgebühr, festgelegt hat.

 

Rz. 159

Die Höhe der Gebühr nach Anm. Abs. 3 S. 1 bemisst sich im konkreten Fall nach dem Rechtszug, in dem die Hauptverhandlung vermieden wurde. Maßgebend ist also hier grundsätzlich die Gebühr des Verfahrensstadiums, in dem sich die Sache erledigt hat.[165]

 

Beispiel: Gegen den Strafbefehl des AG wird Einspruch eingelegt und später drei Wochen vor dem Hauptverhandlungstermin zurückgenommen.

Die Verfahrensgebühr im gerichtlichen Verfahren bestimmt sich nach VV 4106, die Zusätzliche Gebühr ebenso.

 

Rz. 160

Abweichendes gilt jedoch im vorbereitenden Verfahren. Dort ist nicht auf die Gebühr nach VV 4104 abzustellen, sondern auf die Verfahrensgebühren der VV 4106 ff., also desjenigen hypothetischen Rechtszugs, der eingeleitet worden wäre, wenn sich das Verfahren nicht erledigt hätte.[166]

 

Beispiel: Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Trunkenheitsfahrt wird von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Die Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren bestimmt sich nach VV 4104, die Zusätzliche Gebühr nach VV 4106, da die Hauptverhandlung, die vermieden wurde, vor dem AG durchgeführt worden wäre.

Im Ergebnis macht dies keinen Unterschied, da die Gebührenrahmen identisch sind.

 

Beispiel: Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge wird von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Die Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren bestimmt sich wiederum nach VV 4104, die Zusätzliche Gebühr jedoch nach VV 4118, da vor der großen Strafkammer als Schwurgericht angeklagt worden wäre. Es gilt also für die Zusätzliche Gebühr eine höhere Rahmenmitte als für das vorbereitende Verfahren.

[163] LG Saarbrücken AGS 2015, 511 = AG kompakt 2015, 17; AG Limburg SVR 2008, 268; AG Weilburg AGS 2007, 561; Burhoff/Volpert, RVG, VV 4141 Rn 50; Hartmann/Toussaint, KostR, VV 4141 Rn 12, der kurioserweise zum Bußgeldverfahren die gegenteilige Auffassung vertritt.
[164] Zuletzt LG Koblenz JurBüro 2010, 34; zum Bußgeldverfahren (VV 5115): AG Viechtach/LG Deggendorf AGS 2005, 504 m. abl. Anm. N. Schneider = RVGreport 2005, 431 = RVG-B 2005, 162; Hartmann/Toussaint, KostR, VV 5115 Rn 11 ff.
[165] Burhoff/Volpert, RVG, VV 4141 Rn 46.
[166] LG Marburg 30.11.2018 – 4 Qs 52/18, AGS 2019, 61 = RVGreport 2019, 101; Burhoff, AGS 2005, 434.

3. Zuschlag (VV Vorb. 4 Abs. 4)

 

Rz. 161

Die Zusätzliche Gebühr entsteht ohne Zuschlag (Anm. Abs. 3 S. 3). Hieraus folgt, dass die einfache Verfahrensgebühr die Berechnungsgrundlage ist und nicht die Verfahrensgebühr mit Zuschlag nach VV Vorb. 4 Abs. 4.[167] Soweit der Ausschluss des Haftzuschlags mit dem 2. KostRMoG aus der Gebührenspalte in den neuen Abs. 3 S. 3 verschoben worden ist, hat dies nur redaktionelle Gründe, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung verbunden ist.

[167] Burhoff/Volpert, RVG, VV 4141 Rn 2.

4. Mehrere Auftraggeber (VV 1008)

 

Rz. 162

Eine Regelung, wie sich die Zusätzliche Gebühr der VV 4141 bei mehreren Auftraggebern berechnet, war im Gesetz bislang nicht enthalten und war auch im Gesetzentwurf noch nicht vorgesehen. Auf Vorschlag des Rechtsausschusses ist diese Klarstellung dann aber doch noch in das Gesetz aufgenommen worden. Wie auch bei den anderen Gebühren, die sich von einer Verfahrensgebühr ableiten (VV 1005, 1006, Anm. Abs. 2 zu VV 3106, Anm. zu VV 3205), wird auch hier ausdrücklich geregelt, dass eine Erhöhung nach VV 1008 unberücksichtigt bleibt.

 

Rz. 163

 

Beispiel: Der Anwalt vertritt zwei Nebenkläger im gerichtlichen Verfahren und wirkt an einer Einstellung mit.

Der Anwalt erhält eine um 30 % erhöhte Verfahrensgebühr (Nr. 4106 VV RVG). ...

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