Rz. 10

Die Vorschriften der VV 6300 ff. gelten für Verfahren nach § 415 FamFG. Ungeachtet des weit reichenden, nicht ausreichend differenzierenden Wortlauts der Überschrift fallen insbesondere Tätigkeiten in Strafsachen nicht unter VV 6300; diese sind nach VV Teil 4 zu vergüten.[2] Abzuleiten ist dies aus § 415 Abs. 1 FamFG, der Freiheitsentziehungssachen als Verfahren definiert, die die aufgrund von Bundesrecht angeordnete Freiheitsentziehung betreffen, soweit das Verfahren bundesrechtlich nicht abweichend geregelt ist. Kurzfristige, von vornherein als vorübergehend angesehene polizeiliche Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs, die zu einer Freiheitsbeschränkung führen, sollen von § 415 FamFG nach dem Willen des Gesetzgebers nicht erfasst sein.[3] Allerdings können längerfristige, über mehrere Stunden, andauernde Ingewahrsamnahmen außerhalb einer Einrichtung, die von ihrer Intensität einem Einschließen in einem abgeschlossenen Raum gleichkommen, unter Umständen eine Freiheitsentziehung darstellen. Dies soll die Formulierung "insbesondere" klarstellen.[4]

 

Rz. 11

Freiheitsentziehungssachen i.S.d. § 415 FamFG sind insbesondere folgende gerichtliche Verfahren:[5]

Abschiebehaft gem. § 62 AufenthG,[6]
Zurückschiebungshaft (§§ 57 Abs. 3, 62 AufenthG),[7]
Freiheitsentziehung nach § 30 IfSG:[8] Das Verfahren richtet sich in diesen Fällen gem. § 30 Abs. 2 S. 4 IfSG nach §§ 415 ff. FamFG. Es handelt sich um ein gerichtliches Verfahren, wenn für die zwangsweise Unterbringung eine richterliche Anordnung benötigt wird (vgl. § 417 FamFG),
Verfahren nach § 23 Abs. 3 S. 4, § 25 Abs. 3, § 39 Abs. 1 und 2 und § 43 Abs. 5 BPolG,
Verfahren bei Freiheitsentziehungen (Einschränkung von Grundrechten) nach § 89 Abs. 2 AsylG,
Ingewahrsamnahmen nach § 57 BKAG und
Verfahren des Zollkriminalamts nach § 23 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 ZFdG.
[2] Hartung/Römermann/Schons/Hartung, RVG, VV 6300–6303 Rn 5; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 6300–6303 Rn 1; OLG Frankfurt AGS 2000, 71.
[3] BT-Druck 16/6308 S. 290.
[4] BT-Druck 16/6308 S. 290.
[5] BGH 29.3.2012 – V ZB 309/10, AGS 2012, 472 = RVGreport 2012, 302; BGH 13.6.2012 – XII ZB 346/10, RVGreport 2012, 381; LG Berlin JurBüro 1976, 1084; OLG Düsseldorf JurBüro 1981, 234 m. Anm. Mümmler; BayObLG JurBüro 1988, 1663.
[6] BGH 29.3.2012 – V ZB 309/10, AGS 2012, 472 = RVGreport 2012, 302.
[7] LG Saarbrücken 15.3.2013 – 5 T 415/12, RVGreport 2013, 198; LG Saarbrücken 15.3.2013 – 5 T 416/12, RVGreport 2013, 225.
[8] So auch Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 6300–6303 Rn 1.

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