1. Verfahren

 

Rz. 28

Nach §§ 415 ff., 312 ff. und §§ 151 Nr. 6 und 7, 167 i.V.m. § 312 ff. FamFG kann das Amtsgericht Freiheitsentziehungen und Unterbringungen anordnen oder eine freiheitsentziehende Unterbringung oder eine freiheitsentziehende Maßnahme nach § 151 Nr. 6 und 7 FamFG genehmigen. Das Gericht entscheidet aufgrund mündlicher Anhörung der Person, die untergebracht oder der die Freiheit entzogen werden soll (§§ 420, 320 FamFG). Die Entscheidung des Gerichts ist in der Form des Beschlusses zu erlassen und zu begründen (§ 421, 323 FamFG). Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ist nach §§ 61, 429, 335 FamFG die Beschwerde gegeben. Hiergegen ist nach § 70 FamFG die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde möglich (§ 70 Abs. 3 Nr. 2 und 3 FamFG).

2. Übersicht über die Gebühren

 

Rz. 29

Nach VV 6300, 6301 erhält der Anwalt in jedem Rechtszug die gleichen Betragsrahmengebühren bzw. Festgebühren. Eine Staffelung wie in Strafsachen nach verschiedenen Instanzen findet nicht statt. Die größere Bedeutung z.B. im Rechtsmittelverfahren kann ggf. durch die entsprechende Ermessensausübung nach § 14 Abs. 1 erfasst werden.

 

Rz. 30

Jeder Rechtszug stellt eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 dar (Anm. zu VV 6300; Anm. zu VV 6302), sodass der Anwalt insbesondere auch die Postentgeltpauschale (VV 7002) für jeden Rechtszug gesondert erhält.

3. Verfahrensgebühr (VV 6300)

a) Entstehung

 

Rz. 31

Für seine Tätigkeit im Allgemeinen erhält der Anwalt nach VV 6300 eine Verfahrensgebühr. Die Gebühr entsteht mit der ersten Tätigkeit nach Erteilung des Auftrags, also mit der Entgegennahme der Information (VV Vorb. 6 Abs. 2).[30] Die Gebühr steht dem Anwalt auch dann zu, wenn er in Unkenntnis der Beendigung des Mandats, etwa infolge Entlassung oder Todes des Auftraggebers, tätig geworden ist.[31]

[31] LG Aachen AnwBl 1975, 102; LG Kiel AnwBl 1983, 332.

b) Tätigkeitskatalog

 

Rz. 32

Die Gebühr deckt sämtliche Tätigkeiten des Anwalts ab, ausgenommen die Mitwirkung bei der mündlichen Anhörung; diese wird durch die Terminsgebühr nach VV 6301 vergütet. Abgegolten wird durch die Verfahrensgebühr nach VV 6300 also insbesondere:

die Entgegennahme der Information (VV Vorb. 6 Abs. 2),[32]
die Anlage der Handakten,[33]
Akteneinsicht und Schriftverkehr,
die Beratung des Auftraggebers,
die Eintragung des Anhörungstermins,[34]
Besprechungen mit dem Auftraggeber oder Dritten,[35]
die Beschaffung von Informationen und eigene Ermittlungen des Rechtsanwalts,
die Prüfung von ärztlichen Gutachten,[36]
Besuche in der JVA oder Unterbringungseinrichtung,
sonstige Tätigkeiten in den Verfahren nach den §§ 415 ff., 312 ff., 151 Nr. 6 und 7, 167 i.V.m. § 312 ff. FamFG.
[32] LG Aachen AnwBl 1975, 102.
[33] LG Aachen AnwBl 1975, 102.
[34] LG Aachen AnwBl 1975, 102.

c) Fortsetzungsverfahren

 

Rz. 33

Auch dann, wenn die Freiheitsentziehungs- oder Unterbringungsmaßnahme beendet ist und beim Gericht im Wege des Fortsetzungsfeststellungsantrags die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festgestellt werden soll, wird die Tätigkeit des Anwalts noch durch die Gebühr nach VV 6300 abgegolten.[37]

[37] LG Berlin JurBüro 1976, 1084.

d) Rechtszüge

 

Rz. 34

Die Gebühr entsteht in jeder Angelegenheit, insbesondere in jedem Rechtszug, gesondert (Anm. zu VV 6300; Anm. zu VV 6302; § 17 Nr. 1).[38]

Ebenso entsteht sie in einem einstweiligen Anordnungsverfahren (§ 427 FamFG für Freiheitsentziehungssachen, § 331 FamFG für Unterbringungssachen, § 151 Nr. 6 und 7 i.V.m. § 331 FamFG für Unterbringungsmaßnahmen Minderjähriger).[39] Hat das einstweilige Anordnungsverfahren gegenüber der Hauptsache eine geringere Bedeutung, so ist diesem Umstand über die Prüfung der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Rechnung zu tragen.

[38] BGH 29.3.2012 – V ZB 309/10, AGS 2012, 472 = RVGreport 2012, 302.

e) Zurückverweisung

 

Rz. 35

Wird die Sache aufgrund einer Beschwerde oder weiteren Beschwerde zurückverwiesen, gilt § 21 Abs. 1. Die Gebühr entsteht erneut. Eine Anrechnung der Verfahrensgebühren ist im Gegensatz zu VV Vorb. 3 Abs. 6 in VV Teil 6 nicht vorgesehen.

f) Mehrere Betroffene

 

Rz. 36

Mehrere Angelegenheiten i.S.d. § 15 können auch dann vorliegen, wenn sich die freiheitsentziehende Maßnahme oder die Unterbringung auf mehrere Betroffene bezieht. Jede Unterbringungs- bzw. freiheitsentziehende Anordnung erfordert eine gesonderte Überprüfung, die möglicherweise zu verschiedenen Maßnahmen führt. Dementsprechend hat der Anwalt Anspruch auf gesonderte Gebühren, allerdings nur, wenn mehrere Verfahren gegen die verschiedenen Betroffenen geführt werden.

g) Mehrere Auftraggeber

 

Rz. 37

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber in demselben Verfahren, so erhöht sich der Gebührenrahmen nach VV 1008 um jeweils 30 % je zusätzlichen Auftraggeber.[40]

[40] Hansens, JurBüro 1989, 903; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 6300–6303 Rn 14; Hansens, BRAGO, § 112 Rn 10; a.A. Schumann/Geißinger, § 112 Nr. 8.

4. Terminsgebühr (VV 6301)

a) Teilnehme an einem gerichtlichen Termin

 

Rz. 38

Das Gericht hat die Person, der die Freiheit entzogen bzw. die untergebracht werden soll, nach §§ 420, 319, § 167 i.V.m. § 319 FamFG mündlich zu hören. Nimmt der Anwalt an...

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