Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Kein vollständiger Aktenauszug
Rz. 57
In Zivilverfahren wird es i.d.R. nicht erforderlich sein, die gesamte Gerichtsakte zu kopieren oder auszudrucken oder sich daraus Kopien zu fertigen, da der Prozessbevollmächtigte über die gesamte gewechselte Gerichtskorrespondenz unterrichtet wird und hiervon Kopien/Ausdrucke erhält. Ausnahmen ergeben sich jedoch, wenn es gilt, gerichtsinterne Vorgänge, etwa Vermerke oder Verfügungen des Gerichts, festzuhalten. Gleiches kann für Kopien von Zustellungsurkunden gelten, wenn die Frage der Zustellung streitentscheidend ist.
b) Spätere Mandatsübertragung
Rz. 58
Auch dann, wenn der Anwalt nicht von Anfang an in der Sache tätig war, etwa wenn ihm die Partei das Mandat erst im Laufe des Rechtsstreits übertragen hat oder wenn er von einem Streitverkündeten oder einem sonstigen Beteiligten beauftragt worden ist, der erst im weiteren Verlauf dem Rechtsstreit beigetreten ist, kann es geboten sein, den bisherigen Akteninhalt, soweit erheblich, zu kopieren, um sich über den derzeitigen Sach- und Streitstand zu unterrichten.
Rz. 59
Gleiches kann für die Akten eines vorausgegangenen selbstständigen Beweisverfahrens gelten, an dem der Anwalt nicht beteiligt war. Hat der Rechtsanwalt die Streitverkündete in einem vorausgegangenen selbstständigen Beweisverfahren vertreten und fertigt er im anschließenden Hauptsacheprozess, in dem die Streitverkündete Klägerin oder Beklagte ist, als Prozessbevollmächtigter Kopien aus der Akte des selbstständigen Beweisverfahrens, ist die Herstellung der Kopien aus der Akte des selbstständigen Beweisverfahrens zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten, wenn es im Prozess maßgeblich auf die Feststellungen im selbstständigen Beweisverfahren ankommt. Die Dokumentenpauschale fällt dann zwar an, ist aber nicht erstattungsfähig (§ 91 ZPO), wenn die Beklagte als Streitverkündete des selbstständigen Beweisverfahrens im Besitz eines Aktenauszugs des selbstständigen Beweisverfahrens ist. Dann hätte sie ihrem Rechtsanwalt diesen Auszug für den Prozess zur Verfügung stellen können.
Rz. 60
Ebenso kann es für den Rechtsmittelanwalt erforderlich sein, sich einen Auszug aus den erstinstanzlichen Akten anzufertigen, wenn die Partei oder der erstinstanzliche Anwalt ihm keine oder nur ungenügende Unterlagen zur Verfügung stellt.
c) Spätere Rechtszüge
Rz. 61
Nach der Rechtsprechung des BGH entsteht die Dokumentenpauschale nicht, wenn ein Prozessbevollmächtigter späterer Instanz Kopien aus den Gerichtsakten bzw. von Bestandteilen von Gerichtsakten anfertigt, von denen er sicher erwarten konnte, dass von ihnen bereits Kopien gefertigt sind oder Abschriften existieren und hierauf rechtzeitig zurückgegriffen werden kann. Die Fertigung eigener Kopien aus der Gerichtsakte kommt erst in Betracht, wenn und soweit vorhandene Kopien und Abschriften nicht rechtzeitig zu dem Prozessbevollmächtigten gelangen.
Rz. 62
Aus den gem. § 50 Abs. 1 BRAO vom erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten anzulegenden Handakten ergibt sich ein geordnetes Bild über die von diesem entfalteten Tätigkeiten. Denn hierzu gehört jedenfalls die Sammlung der von den Parteien in erster Instanz gewechselten Schriftsätze. Da die Partei gem. §§ 667, 675 BGB einen Anspruch auf Herausgabe dieser Handakten hat, kann dieser Anspruch durch Übersendung der Handakten an den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des realisiert werden.
Rz. 63
Etwas anderes gilt nach Auffassung des BGH nur dann, wenn in dem späteren Rechtszug ein Rechtsanwalt beauftragt wird, der nicht auf die Handakten eines erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zurückgreifen kann (z.B. bei Beteiligung einer Streithelferin erst in der Revisionsinstanz). Der Prozessbevollmächtigte muss sich auch nicht auf die Möglichkeit einer Akteneinsicht verweisen lassen. Hier ist die Ablichtung der erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache durch den Bevollmächtigten der Streithelferin geboten. Es entsteht daher die Dokumentenpauschale, die auch vom Gegner zu erstatten ist.