Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
aa) Grundsatz
Rz. 66
In Strafsachen wird sich der Verteidiger in aller Regel einen Aktenauszug anfertigen müssen, da er über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts nicht automatisch informiert wird. Dem Anwalt ist es insoweit nicht zuzumuten, sich handschriftliche Aktenauszüge anzufertigen oder den wesentlichen Inhalt abzudiktieren. Der Verteidiger muss darauf achten, dass er möglichst umfassende Informationen erhält, um nicht später wiederholt um Akteneinsicht ersuchen zu müssen.
bb) Kein Verweis auf Aktenauszüge anderer Rechtsanwälte
Rz. 67
Der Rechtsanwalt muss sich grds. nicht auf den von einem anderen Verteidiger gefertigten Aktenauszug verweisen lassen. Das gilt auch für den zur Verfahrenssicherung bestellten weiteren Pflichtverteidiger. Denn ohne eigenen Aktenauszug ist eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht durchzuführen. Der zur Verfahrenssicherung bestellte Pflichtverteidiger muss sich wegen des dazu erforderlichen Arbeitsaufwandes auch nicht auf einen Abgleich der digitalisierten mit den Papier-Kopien und somit nicht darauf verweisen lassen, dass nur diejenigen Unterlagen zu kopieren sind, die dem sog. "Erstverteidiger" nicht vorliegen. Die Fertigung eines vollständigen Aktenauszuges ist hier auch dann erforderlich, wenn die Gerichtsakten zwar in digitalisierter Form zur Verfügung stehen, in dieser Fassung aber vereinzelt Seiten übersprungen werden.
Rz. 68
Etwas anderes kann dann gelten, wenn es bei einem Wechsel des Pflichtverteidigers zumutbar und möglich ist, auf den von dem zunächst bestellten Verteidiger gefertigten Aktenauszug zuzugreifen.
Zwei in einer Bürogemeinschaft verbundene Verteidiger müssen sich keinen Aktenauszug teilen und sind nicht gehalten, diesen untereinander auszutauschen. Denn jeder Verteidiger eines Angeklagten hat ein eigenes Recht auf Akteneinsicht und Anfertigung eines Aktenauszugs für die Verteidigung seines Mandanten.
cc) Ermessensspielraum des Anwalts
Rz. 69
Vgl. zunächst Rdn 54.
Rz. 70
Das ungeprüfte vorsorgliche Kopieren oder Ausdrucken der gesamten Akte führt nicht dazu, dass die gesamte angemeldete Dokumentenpauschale als erstattungsfähig anzuerkennen ist, wenn einzelne Teile der Akte von vornherein den zu verteidigenden Mandanten nicht betreffen können. Jedenfalls dann, wenn dem Verteidiger in einem größeren Verfahren eine Vielzahl von Beiakten übersandt wird, erscheint es zumutbar, dass der Verteidiger vor dem Kopieren die Verfahrensrelevanz der einzelnen Beiakten prüft. Das wird aber wiederum dann nicht verlangt werden können, wenn die Akten wie häufig nur für kurze Zeit überlassen werden. Hier wird es aus Zeitgründen oft nicht möglich und zumutbar sein, die gesamten Akten daraufhin durchzusehen, ob einzelne Teile oder Seiten den Mandanten von vornherein nicht betreffen können.
Rz. 71
Der dem Anwalt zustehende Ermessensspielraum gestattet es, bei der Auswahl der zu kopierenden Seiten nicht jede Seite vollständig lesen und auf die Notwendigkeit überprüfen zu müssen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Akteneinsicht meist nicht abschließend beurteilt werden kann, ob zunächst als unwichtig angesehene Seiten im weiteren Verfahrensverlauf nicht doch noch Bedeutung für die Verteidigung erlangen. Es ist daher eine grobe Prüfung und vorläufige Bewertung ausreichend, aber auch erforderlich, bei der allerdings ersichtlich für die weitere Sachbearbeitung nicht bedeutsame Aktenteile von der Ablichtung auszunehmen sind.
Rz. 72
Eine starre Regelung, etwa dass Ablichtungskosten bis 5 % des Verteidigerhonorars durch die Gebühren abgegolten sind, ist vollkommen willkürlich und unzutreffend. Ebenso wenig ist es zulässig, von den abgerechneten Kopiekosten einen pauschalen Prozentsatz als nicht notwendig abzuziehen.