1. Allgemeines
Rz. 5
Zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens zählt das Recht auf ein faires Verfahren. Als ein unverzichtbares Element gewährleistet es dem Betroffenen, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde selbstständig wahrnehmen und Übergriffe der im vorstehenden Sinn rechtsstaatlich begrenzten Rechtsausübung staatlicher Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können. Die einem fairen Verfahren immanente Forderung nach verfahrensmäßiger Selbstständigkeit des in ein justizförmiges Verfahren hineingezogenen Bürgers bei der Wahrnehmung ihm eingeräumter prozessualer Rechte und Möglichkeiten gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten gebietet es, auch dem Zeugen grundsätzlich das Recht zuzubilligen, einen Rechtsbeistand seines Vertrauens zu der Vernehmung hinzuzuziehen, wenn er das für erforderlich hält, um von seinen prozessualen Befugnissen selbstständig und seinen Interessen entsprechend sachgerecht Gebrauch zu machen. Das Rechtsstaatsprinzip zieht jedoch einem allgemeinen Recht des Zeugen auf Rechtsbeistand Grenzen. Es wäre mit dem Postulat der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen, wirksamen Rechtspflege nicht vereinbar, den Rechtsbeistand des Zeugen in allen Fällen ohne Einschränkungen zuzulassen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt vielmehr eine Abwägung zwischen dem Anspruch des Zeugen und dem öffentlichen Interesse an der Effizienz des Prozesses und ähnlicher Verfahren, die die Behörden und Gerichte unter Abwägung aller persönlichen und tatsächlichen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen haben. Für die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes bedarf es daher stets einer besonderen rechtsstaatlichen Legitimation, die sich in unterschiedlicher Ausprägung aus der jeweiligen besonderen Lage des Zeugen, insbesondere aus den ihm im eigenen Interesse eingeräumten prozessualen Befugnissen bei der Erfüllung der allgemeinen staatsbürgerlichen Zeugenpflichten, ergibt.
2. Verwaltungsverfahren (Abs. 2 S. 1)
Rz. 6
Für die Tätigkeit als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen in einem Verwaltungsverfahren, für das sich die Gebühren nach VV Teil 2 bestimmen, entstehen nach Abs. 2 S. 1 die gleichen Gebühren wie für einen Bevollmächtigten in diesem Verwaltungsverfahren. Durch den in dem Wortlaut der Vorschrift enthaltenen Verweis auf "die gleichen Gebühren wie für einen Bevollmächtigten" ist klar, dass die Tätigkeit als Beistand nicht als Einzeltätigkeit zu vergüten ist (siehe auch Rdn 11).
Rz. 7
Demnach erhält der Rechtsanwalt, der als Beistand für einen Zeugen in einem Verwaltungsverfahren tätig wird, nach VV 2300 eine 0,5 bis 2,5-Geschäftsgebühr. Ist die Tätigkeit weder schwierig noch umfangreich beträgt die Gebühr nach der Anm. zu VV 2300 höchstens 1,3.
Rz. 8
Wird der Rechtsanwalt mit der Tätigkeit als Beistand sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in einem weiteren, der Nachprüfung eines Verwaltungsaktes dienenden Verwaltungsverfahren beauftragt, so erhält er in beiden Angelegenheiten (§ 17 Nr. 1a) jeweils die Geschäftsgebühr VV 2300.
Indes ist die Anrechnung nach Abs. 4 zu VV Vorb. 2.3 zu berücksichtigen. Die Anrechnungsbestimmung Abs. 4 S. 1 sieht vor, dass grundsätzlich die Hälfte der im Erstverfahren angefallenen Geschäftsgebühr auf die Geschäftsgebühr für das nachfolgende Verfahren angerechnet wird. Die Anrechnung hat höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 zu erfolgen (Abs. 4 S. 2). § 14 Abs. 2 stellt klar, dass der durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand ausschließlich durch die nunmehr vorgeschriebene Anrechnung berücksichtigt wird und nicht nochmals bei der konkreten Bestimmung der Gebühr für das nachfolgende Verfahren.
Bei der Anrechnung ist § 15a zu beachten. § 15a Abs. 1 definiert die Anrechnung im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber. Beide aufeinander anzurechnenden Gebühren bleiben grundsätzlich unangetastet erhalten. Der Rechtsanwalt kann also beide von der Gebührenanrechnung betroffenen Gebühren jeweils in voller Höhe geltend machen. Ihm ist es lediglich verwehrt, insgesamt mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren zu verlangen. § 15a Abs. 1 stellt die Anrechnungsreihenfolge grundsätzlich frei. Die Anrechnungsreihenfolge des Abs. 4 der Vorb. bleibt allein für die Ermittlung der Höhe des Anrechnungsbetrages relevant.
Hat der Rechtsanwalt demnach im Verwaltungsverfahren und im Nachprüfungsverfahren jeweils eine 1,3-Geschäftsgebühr nach VV 2300 verdient, ist der Gesamtbetrag um den Anrechnungsbetrag in Höhe der Hälfte einer 1,3-Gebühr (= 0,65) zu kürzen.
Rz. 9
Beschränkt sich die anwaltliche Tätigkeit auf eine Beistandsleistung in einem der Nachprüfung eines Verwaltungsaktes dienenden Verwaltungsverfahren, erhält er die Geschäftsgebühr VV 2300. Auf eine Anrechnung (VV Vorb. 2.3 Abs. 4) kommt es nicht an, weil er nur in einer Angelegenheit tätig geworden ist und nur einmal eine Geschäftsgebühr verdient hat.