Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Überblick
Rz. 16
Wird der Anwalt in einem gerichtlichen Verfahren nach der WBO beauftragt, ist häufig eine Tätigkeit im Verfahren über die Beschwerde (§§ 1 ff. WBO) oder über die weitere Beschwerde (§§ 17 ff. WBO) vor einem Disziplinarvorgesetzten vorangegangen. Dort hat der Anwalt dann eine Geschäftsgebühr nach VV 2302 Nr. 2 verdient. Diese Vorbefassung soll durch eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach VV Vorb. 6.4 Abs. 2 Gebühren mindernd berücksichtigt werden. Auf die durch VV Vorb. 6.4 Abs. 2 vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr VV 2302 Nr. 2 auf die Verfahrensgebühren VV 6400, 6402 kann sich der Bund gem. § 15a Abs. 2 nur berufen, wenn
▪ |
er den Anspruch auf eine der aufeinander anzurechnenden Geschäftsgebühren erfüllt hat, |
▪ |
wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder |
▪ |
beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden (siehe zur Anrechnung die Erl. zu § 15a Abs. 2). |
2. Keine geringere Bemessung der Verfahrensgebühr (§ 14 Abs. 2)
Rz. 17
Eine vorangegangen Geschäftsgebühr aus VV 2302 Nr. 2 ist nach Abs. 2 S. 1 zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens vor dem Truppendienstgericht oder dem BVerwG (VV 6400) anzurechnen, höchstens jedoch mit einem Betrag von 207 EUR. Bei der Bemessung der Verfahrensgebühr durfte dann aber nicht berücksichtigt werden, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der vorangegangenen Tätigkeit geringer ist (Abs. 2 S. 3). Abs. 2 S. 3 ist durch das KostRÄG 2021 zum 1.1.2021 aufgehoben und durch die allgemeinere Regelung in § 14 Abs. 2 ersetzt worden. Ist eine Geschäftsgebühr VV 2302 Nr. 2 auf eine Verfahrensgebühr VV 6400, 6402 anzurechnen, ist die Verfahrensgebühr VV 6400, 6402, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.
Beispiel: Der Anwalt hatte den Mandanten im Verfahren der weiteren Beschwerde vor dem Dienstvorgesetzten vertreten. Gegen dessen Entscheidung wird gem. § 17 WBO Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor dem Truppendienstgericht gestellt, über den mündlich verhandelt wird. Die gesamte Tätigkeit ist durchschnittlich.
Im Verfahren der weiteren Beschwerde vor dem Dienstvorgesetzten entsteht eine Geschäftsgebühr nach VV 2302 Nr. 2. Hier soll von der Schwellengebühr der Anm. zu VV 2302 ausgegangen werden.
Im Verfahren vor dem Truppendienstgericht erhält der Anwalt eine Verfahrensgebühr nach VV 6400 sowie eine Terminsgebühr nach VV 6401. Auf die Verfahrensgebühr ist jetzt die vorangegangene Geschäftsgebühr der VV 2302 Nr. 2 hälftig anzurechnen (Abs. 2 S. 1). Im Gegenzug darf die Vorbefassung nicht Gebühren mindernd berücksichtigt werden. Die Verfahrensgebühr VV 6400 ist nach § 14 Abs. 2 so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.
I. Verfahren der weiteren Beschwerde
1. |
Geschäftsgebühr, VV 2302 Nr. 2 |
|
359,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
379,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
72,01 EUR |
Gesamt |
|
451,01 EUR |
II. Verfahren vor dem Truppendienstgericht
1. |
Verfahrensgebühr, VV 6400 |
|
418,00 EUR |
2. |
gem. Abs. 2 S. 1 anzurechnen |
|
– 207,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, VV 6401 |
|
418,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
649,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
123,31 EUR |
Gesamt |
|
772,31 EUR |
3. Anrechnungshöchstbetrag: 207 EUR
Rz. 18
Zu beachten ist, dass der Anrechnungsbetrag auf höchstens 207 EUR begrenzt ist. Angerechnet wird immer die Hälfte der anzurechnenden Geschäftsgebühr, höchstens 207 EUR, nicht der nach einer vorhergehenden Anrechnung verbleibende Restbetrag.
Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch war die Tätigkeit im weiteren Beschwerdeverfahren sehr umfangreich und schwierig, sodass ein Betrag in Höhe von 500 EUR angemessen ist.
Auch jetzt ist die Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen. Zu beachten ist jetzt allerdings die Höchstgrenze der Anrechnung von 207 EUR.
I. Verfahren der weiteren Beschwerde
1. |
Geschäftsgebühr, VV 2302 Nr. 2 |
|
500,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
520,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
98,80 EUR |
Gesamt |
|
618,80 EUR |
II. Verfahren vor dem Truppendienstgericht
1. |
Verfahrensgebühr, VV 6400 |
|
418,00 EUR |
2. |
gem. Abs. 2 S. 1 anzurechnen |
|
– 207,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, VV 6401 |
|
418,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
649,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
123,31 EUR |
Gesamt |
|
772,31 EUR |
4. Anrechnung bei Verfahren vor dem BVerwG
Rz. 19
Ebenso ist anzurechnen, wenn die Beschwerde oder die weitere Beschwerde vom Bundesminister der Verteidigung beschieden worden ist und sich gem. § 21 WBO das erstinstanzliche Verfahren gem. § 21 Abs. 1 WBO vor dem BVerwG anschließt.
Beispiel: Über die Beschwerde nach § 1 WBO entscheidet der Bundesminister der Verteidigung. Hiergegen wird Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor dem BVerwG gestellt, über den mündlich verhandelt wird.
Auch jetzt ist die Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen...