I. Allgemeines
Rz. 41
Voraussetzung dafür, dass der Anwalt Reisekosten abrechnen darf, ist, dass eine Geschäftsreise i.S.d. Abs. 1 S. 2 vorliegt. Der früher umstrittene Begriff der Geschäftsreise war bereits durch das KostRÄndG 1994 per Legaldefinition in § 28 Abs. 1 S. 2 BRAGO geklärt worden. Diese Regelung ist unverändert in das RVG aufgenommen worden und findet sich in Abs. 2.
Rz. 42
Für Reisekosten des Mandanten gilt die Einschränkung des Abs. 2 nicht. Fahrtkosten z.B. zum Gerichtstermin sind für ihn auch dann erstattungsfähig, wenn er die Reise des Gerichtsortes stattfindet. Ein Verlassen der politischen Grenzen des Gerichtsortes ist nicht erforderlich.
II. Geschäftsreise (Abs. 2)
Rz. 43
Eine Geschäftsreise liegt nach Abs. 2 vor, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet. Maßgebend ist also allein, ob der Anwalt in Erfüllung seines anwaltlichen Mandats das Gebiet der politischen Gemeinde verlassen muss. Auf die Entfernung kommt es nicht an. Der Anwalt kann daher selbst bei kürzesten Strecken Reisekosten beanspruchen, solange er dabei die Gemeindegrenze überquert, selbst wenn zwei Gemeinden nahtlos aneinandergrenzen und im selben Landkreis liegen. Umgekehrt kann er bei großen Entfernungen keine Reisekosten verlangen, wenn das Ziel noch in derselben Gemeinde liegt. Das gilt selbst dann, wenn das Ziel in einem anderen Gerichtsbezirk liegt (etwa bei Fahrten innerhalb von Berlin oder Hamburg).
Rz. 44
Liegen Wohn- und Kanzleisitz auseinander, so können Reisekosten zum Kanzleiort niemals abgerechnet werden. Auch für Fahrten zum Wohnort ist eine Reisekostenabrechnung grundsätzlich ausgeschlossen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Anwalt die Reise von seiner Kanzlei aus antreten und nach dem Termin auch wieder dorthin zurückfährt. Der Anwalt, der nach §§ 27, 29 BRAO einen auswärtigen Wohnsitz hat, darf deshalb nicht schlechter gestellt werden. Ihm kann auch nicht vorgeschrieben werden, die Reise von zu Hause aus anzutreten. Wenn er sich entscheidet vor dem Termin am Wohnort zuvor in seine auswärtige Kanzlei zu fahren und dort noch Arbeiten zu erledigen, so ist dies seine freie Entscheidung. Erledigt der Anwalt allerdings den Termin auf dem Hinweg zu seiner Kanzlei oder auf dem Rückweg, so liegt keine Geschäftsreise vor, die er abrechnen könnte.
Rz. 45
Nach der Rechtsprechung umfasst der Begriff der "Kanzlei" i.S.d. VV Vorb. 7 Abs. 2 auch die Zweigstelle einer Rechtsanwaltskanzlei, da diese mit zur Kanzlei zähle und von demselben Anwalt bzw. denselben Anwälten betrieben werde. Fahrtkosten für eine Geschäftsreise zu einem Ziel innerhalb der Gemeinde, in der eine Zweigstelle unterhalten wird, sollen deshalb nicht nach den VV 7003 ff. abgerechnet werden können. Dies ist m.E. unzutreffend und widerspricht der Rechtsprechung bei unterschiedlichem Wohn- und Kanzleisitz (siehe Rdn 44).
Rz. 46
Anders verhält es sich, wenn eine überörtliche Sozietät oder eine überörtliche Partnerschaftsgesellschaft mehrere Kanzleien unterhält, also keine Zweigstellen, sondern eigenständige Büros mit postulationsfähigen Anwälten, die diesen Büros zugeordnet sind. In diesem Fall entstehen Reisekosten, wenn ein Anwalt einer der verbundenen Kanzleien beauftragt wird und am Ort einer anderen Kanzlei einen für ihn auswärtigen Gerichtstermin wahrnimmt. Diese Reisekosten sind dann nach den allgemeinen Grundsätzen auch erstattungsfähig.
Rz. 47
Auf den Zweck der Geschäftsreise kommt es nicht an. Zu vergüten sind sämtliche Reisen, sofern sie der Anwalt zur sachgerechten Wahrnehmung des Mandats für erforderlich halten durfte (§ 670 BGB), also insbesondere Fahrten zu Gerichtsterminen, zu Ortsbesichtigungen, zu Behörden, zu Sachverständigen oder anderen Institutionen zum Zwecke der Informationsbeschaffung, so etwa für Reisekosten zum behandelnden Arzt in Freiheitsentziehungsverfahren. Auch Fahrten zur Besprechung beim Mandanten zählen hierzu.