3.2.1 Bestimmung der Erbquote des Ehegatten
Nach den gesetzlichen Regelungen ist der Erbteil des überlebenden Ehegatten abhängig von der Nähe der miterbenden Verwandten des Verstorbenen, ferner ist er abhängig vom Güterstand, der in der Ehe des Erblassers zuletzt galt.
Daraus ergibt sich, dass zunächst zu prüfen ist, welche Verwandten des Verstorbenen neben dem überlebenden Ehegatten seine gesetzlichen Erben geworden sind.
Danach ist zu prüfen, in welchem Güterstand die Ehegatten gelebt haben.
So ergibt sich, dass neben Erben der ersten Ordnung der überlebende Ehegatte zu einem Viertel erbt. Neben den Erben der zweiten Ordnung, erbt der Ehegatte die Hälfte, § 1931 Abs. 1 BGB.
Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff. BGB), erhöht sich die Erbquote des überlebenden Ehegatten um ¼ der Erbschaft, § 1371 Abs. 3 BGB.
Bei Gütertrennung (§ 1414 BGB) ist zusätzlich § 1931 Abs. 4 BGB zu beachten: Danach ist die Anzahl der Abkömmlinge für die Berechnung der Erbquote zu berücksichtigen.
Die zur Ermittlung der miterbenden Verwandten notwendigen Rechtsbegriffe der Verwandtschaft und der Abstammung werden in Abschnitt IV erläutert.
3.2.2 Zur "taktischen Ausschlagung" des Ehegatten
Ob der überlebende Ehegatte ausschlägt und die "güterrechtliche Lösung" wählt, setzt eine Interessenabwägung voraus. Diese steht im Fall der Erbeinsetzung unter dem Zeitdruck der Frist des § 1944 BGB. Nur eingeschränkt gilt dies beim Vermächtnis; hier kann es aber zu einer Fristsetzung durch den Erben gem. § 2307 Abs. 2 BGB kommen.
Erbschaft und Vermächtnisanspruch werden sogleich mit dem Tod des Erblassers erworben. Allerdings gelten nach der form- und fristgerechten Ausschlagung die Erbschaft und das Vermächtnis als niemals angefallen, § 1953 BGB (§ 2180 BGB). Die Ausschlagung der Erbschaft und der Anfall an den nunmehr berufenen Erben werden gem. § 1953 Abs. 1, Abs. 2 BGB auf den Erbfall zurückbezogen, um einen auch nur vorübergehend herrenlosen Nachlass zu vermeiden.
Die Entscheidung des überlebenden Ehegatten, ob es finanziell günstiger ist, die erbrechtliche oder die güterrechtliche Lösung zu wählen, ist davon abhängig, neben welchen Verwandten er erbt und in welchem Verhältnis der in der Ehe erzielte Zugewinn des verstorbenen Ehegatten zur gesamten Erbmasse steht und ob bzw. welchen Zugewinn der überlebende Ehegatte selbst in der Ehe erzielt hat.
Kössinger kommt anhand komplexer Berechnungen zum Ergebnis, dass unter der Voraussetzung, dass nur der verstorbene Ehegatte Zugewinn erzielt hat, neben Verwandten der ersten Ordnung die Wahl der güterrechtlichen Lösung sich nur rentiert, wenn der Anteil des Zugewinns am Gesamtnachlass mehr als 85,71 % bzw. 6/7 beträgt; neben Verwandten der zweiten Ordnung die erbrechtliche Lösung immer die günstigere ist.
Geißler, kommt in einer vertiefenden Analyse zum Ergebnis, dass der pauschale Zugewinnausgleich im Todesfall über das erhöhte gesetzliche Erbrecht des Überlebenden vom Gesetzgeber so attraktiv ausgestaltet worden sei, dass es in der Regel uninteressant sein dürfte, den güterrechtlichen Weg zu wählen. Mathematische Gleichungen müssten spätestens in der Praxis scheitern. Ansonsten könnten keine zuverlässigen Aussagen gemacht werden.
Bei der Entscheidung wird in der Praxis ferner zu berücksichtigen sein, dass der überlebende Ehegatte durch eine Ausschlagung des gesetzlichen Erbteils sein Recht auf den Voraus verliert. Außerdem ist er nach einer Ausschlagung nicht mehr dinglich am Nachlass beteiligt und kann deshalb keinen Einfluss mehr auf dessen Verwaltung und Abwicklung nehmen.
Auf der anderen Seite wird der Ausschlagende nicht mit Verwaltungs- und Abwicklungskosten belastet.
Bevor der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlägt, ist außerdem genau zu überprüfen, ob dieser sich etwaige Vorempfänge nach der Maßgabe des § 1380 BGB anrechnen lassen muss (vgl. auch § 2315 BGB).
Danach wird auf die Ausgleichsforderung eines Ehegatten angerechnet, was ihm von dem anderen Ehegatten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zugewendet worden ist. Die Zuwendung muss mit der Bestimmung versehen worden sein, dass diese auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden soll. Im Zweifel kann angenommen werden, dass Zuwendungen angerechnet werden sollen, wenn ihr Wert den von Gelegenheitsgeschenken übersteigt, die nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich sind, § 1380 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Bezüglich der Verjährungsfristen ist zu berücksichtigen, dass die Pflichtteilsansprüche, unabhängig ob nach §§ 2303, 2305, 2307, 2325 oder 2329 BGB, und Ausgleichsforderungen nach der allgemeinen Regel des § 195 BGB in drei Jahren verjähren. Die ehemals in § 1378 Abs. 4 BGB normierte Sonderregel für die Verjährung der Ausgleichsforderung ist bereits im Jahr 2009 durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts aufgehoben worden. Änderungen ergeben sich zwar nicht für die weiterhin geltende dreijährige Frist, jedoch für deren Beginn...