Leitsatz

Vereinbaren die Parteien eines langfristigen gewerblichen Mietvertrags während der Mietzeit, dass der Mieter die bisher genutzten Räume zurückgeben und zum Ausgleich hierfür gleich große Ersatzräume im Erdgeschoss des Nachbarhauses erhalten soll, so bedarf ein solcher Vertrag nicht der Schriftform, wenn sowohl die Mietfläche als auch der Mietzins gleich bleibt.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Normenkette

BGB § 550

 

Kommentar

Das ursprüngliche Mietverhältnis wurde im Jahr 1982 begründet und bestand aus Geschäftsräumen im Erdgeschoss und Geschäftsräumen im 1. Obergeschoss. Hinsichtlich der Vertragszeit war unter § 2 des Mietvertrags Folgendes geregelt: "Das Mietverhältnis beginnt am 1.10.1982 und endet am 30.8.1985. Wird es nicht spätestens drei Monate vor Ablauf der Mietzeit gekündigt, so verlängert es sich jedes Mal um ein Jahr."

Im Jahr 2000 wollte der Eigentümer das Gebäude aufstocken. Aus diesem Grund schlug er dem Mieter vor, dass dieser die Räume im 1. Obergeschoss zurückgeben und zum Ausgleich hierfür gleich große Räume im Erdgeschoss des Nachbarhauses erhalten sollte. Damit war der Mieter einverstanden. In der Folgezeit wurde die Trennmauer zwischen den beiden Gebäuden im Erdgeschoss durchbrochen und die jeweiligen Räume miteinander verbunden. Eine schriftliche Beurkundung dieses Vorgangs erfolgte nicht.

Im Jahr 2002 übereignete der Eigentümer die beiden Anwesen seinem Sohn.

Mit Schreiben vom 22.6.2004 kündigte der Mieter das Mietverhältnis zum nächstmöglichen Termin. Der nunmehrige Vermieter vertritt den Standpunkt, dass eine Kündigung frühestens zum 30.8.2005 möglich sei.

Nach der Vereinbarung in § 2 des Mietvertrags wurde das Mietverhältnis am 30.8.2004 bis zum 30.8.2005 verlängert, weil die Kündigung erst nach dem Ablauf des Kündigungstags (Ende Mai 2004) erfolgt ist. Denkbar ist allerdings, dass in dem vorliegenden Fall die Rechtsfolge des § 550 Satz 1 BGB eingreift. Danach liegt ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit vor, wenn er trotz einer vereinbarten Befristung nicht in schriftlicher Form abgeschlossen wurde. In diesem Fall kann ein Geschäftsraummietverhältnis am 3. Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres gekündigt werden (§ 580a Abs. 2 BGB). Danach hätte die am 22.6.2004 erklärte Kündigung das Mietverhältnis zum 31.12.2004 beendet.

Das Schriftformerfordernis gilt nicht nur für den Abschluss eines Mietvertrags, sondern auch dann, wenn ein formbedürftiger Vertrag während der Mietzeit geändert wird. Anders ist es, wenn der Ergänzungs- oder Änderungsvertrag nur unwesentliche Änderungen enthält. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH zählen zu den wesentlichen Vertragsbedingungen insbesondere der Mietgegenstand, der Mietzins sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses. Diese Vertragsbestandteile müssen aus der schriftlichen Vertragsurkunde ersichtlich sein (BGH, Urteil v. 17.12.2008, XII ZR 57/07, NZM 2009 S. 198). Nichts anderes gilt, wenn eine dieser Vereinbarungen während der Mietzeit geändert wird. So liegen die Dinge hier: Die Parteien haben vereinbart, dass dem Mieter statt der Räume im 1. Obergeschoss künftig Räume im Erdgeschoss des Nachbarhauses überlassen werden. Damit wurde der Mietgegenstand ver­ändert; ein solcher Änderungsvertrag hätte der Schriftform bedurft.

Das Gericht ist demgegenüber der Meinung, dass lediglich von einer unwesentlichen Vertrags­änderung auszugehen sei, weil sich an der Mietfläche und am Mietzins nichts geändert habe und weil die jeweiligen Räume nach den Vorstellungen der Parteien eine Einheit bilden sollten. Mit der Rechtsprechung des BGH stehen diese Erwägungen allerdings nicht im Einklang.

 

Link zur Entscheidung

OLG Zweibrücken, Urteil v. 19.11.2010, 2 U 6/10, MDR 2011 S. 349

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