Leitsatz
Ein Verzicht des Vermieters auf das Recht, das Wohnraummietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu kündigen, bedarf – wie der gesamte Mietvertrag – gemäß § 550 S. 1 BGB der Schriftform, wenn der Verzicht für mehr als ein Jahr gelten soll. (amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 542, 550
Kommentar
In einem 1991 geschlossenen Wohnraummietvertrag auf unbestimmte Dauer war unter der Regelung in § 27 mit der Überschrift "Sonstige Vereinbarungen" Folgendes vermerkt: "siehe Anlagen". Die Anlage bestand aus einem losen Blatt, in dem die Parteien zahlreiche Vertragsvereinbarungen festgehalten hatten. Unter anderem wurde dort geregelt: "Auf eine Kündigung wegen Eigenbedarf wird verzichtet." Das Blatt war nicht unterzeichnet; es enthielt auch keinen Hinweis auf einen bestimmten Mietvertrag.
Im Jahr 2002 wurde das Gebäude verkauft. Der Erwerber kündigte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs für seine erwachsene Tochter. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob die Eigenbedarfskündigung wirksam ausgeschlossen war.
Das Problem ergibt sich aus § 550 BGB. Danach bedarf ein Mietvertrag, der für "längere Zeit als ein Jahr" abgeschlossen wird, der Schriftform. Wird die Schriftform nicht beachtet, so kann er nach Ablauf des ersten Mietjahres gekündigt werden. Ist ein Teil der Vereinbarungen in einer Anlage zum Mietvertrag niedergelegt, ist die Schriftform nur gewahrt, wenn die Zusammengehörigkeit von Grundvertrag und Anlage zweifelsfrei kenntlich gemacht wird (ständige Rechtsprechung, zuletzt: BGH, Urteil v. 15.11.2006, XII ZR 92/04). Grundsätzlich muss die Anlage mit dem Grundvertrag verbunden werden. Nach der sog. "Auflockerungsrechtsprechung" des BGH genügt es aber auch, wenn die Anlage auf den Grundvertrag in einer Art und Weise Bezug nimmt, dass die Zusammengehörigkeit der jeweiligen Vertragsteile erkennbar ist. Diese Voraussetzungen waren in dem zur Entscheidung stehenden Fall nicht gegeben.
Nach allgemeiner Ansicht ist die Regelung des § 550 BGB auch dann anzuwenden, wenn das Recht des Vermieters zur ordentlichen Kündigung für längere Zeit als ein Jahr ausgeschlossen ist. Dagegen ist streitig, ob auch der Ausschluss einzelner Kündigungsgründe der Schriftform bedarf. Die Frage wird teils bejaht (LG Berlin, WuM 1991, 498; LG Hamburg, ZMR 2001, 895; Sonnenschein, NZM 2000, 1, 8), teils verneint (LG Mannheim, WuM 1977, 258; Blank/Börstinghaus, § 550 BGB Rdn. 13; Heile in: Bub/Treier, Rdn. II 730). Der BGH erachtet die erstgenannte Auffassung für zutreffend. Er begründet dies mit dem Zweck der Vorschrift, die (neben der Warn- und Beweisfunktion) den potenziellen Erwerber einer Immobilie über mögliche Vertragsbindungen informieren soll. Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn der Erwerber aus der Vertragsurkunde mögliche Kündigungsbeschränkungen erkennen kann.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 4.4.2007, VIII ZR 223/06, WuM 2007, 272