Alexander C. Blankenstein
Leitsatz
Eine wirksame Beschlussfassung nach § 23 Abs. 3 WEG setzt eine unmissverständliche Initiative zur schriftlichen Universalentscheidung voraus, die einer bloßen Aufforderung zu einer "Meinungsabgabe" nicht hinreichend deutlich zu entnehmen ist. Die Zustimmungserklärung im schriftlichen Beschlussverfahren gem. § 23 Abs. 3 WEG ist widerruflich, bis der Beschlussinitiator das Zustandekommen des Beschlusses festgestellt und eine an alle Wohnungseigentümer gerichtete Mitteilung über das Beschlussergebnis veranlasst hat.
Fakten:
Einer der Wohnungseigentümer wollte seine Loggia verglasen lassen. Auf der entsprechenden Wohnungseigentümerversammlung wurde das Begehren mehrheitlich abgelehnt. Gleichwohl wurde die Verwaltung damit beauftragt, von allen Eigentümern, insbesondere den an der Versammlung nicht teilnehmenden, "eine Meinungsabgabe" einzuholen. Der Verwalter initiierte daraufhin ein "Rundschreiben", in dem die Wohnungseigentümer gebeten wurden, ihr "Votum" hinsichtlich der geplanten Baumaßnahme abzugeben. Zunächst sprachen sich dabei auch alle Wohnungseigentümer für die Baumaßnahme aus, drei der Wohnungseigentümer widerriefen jedoch ihr positives "Votum". Der bauwillige Wohnungseigentümer war nunmehr der Auffassung, es sei ein schriftlicher Beschluss gemäß § 23 Abs. 3 WEG zustande gekommen. Der Widerruf der drei Wohnungseigentümer sei mithin unbeachtlich. Hier irrte der Wohnungseigentümer in doppelter Hinsicht. Zunächst fehlte es bereits an einem ordnungsmäßigen Umlaufbeschluss. Denn die Aufforderung zur Abgabe eines "Votums" als Einholung einer Meinungsabgabe umschreibt allenfalls das Ziel, den Meinungsstand innerhalb der Eigentümerversammlung festzustellen, und lässt nicht ausreichend erkennen, dass damit bereits ein verbindliches Abstimmungsverfahren i.S.v. § 23 Abs. 3 WEG beabsichtigt war. Zwar war der Stimmzettel mit "Abstimmung im schriftlichen Verfahren" überschrieben. Dass es sich dabei schon um eine verbindliche Stimmrechtsabgabe i.S.v. § 23 Abs. 3 WEG und nicht um die bloße Erkundung des Meinungsstands innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft handelte, wurde jedoch bereits deshalb nicht hinreichend deutlich, weil auch in dem Stimmzettel auf das Versammlungsprotokoll Bezug genommen wurde, wonach lediglich Meinungsabgaben eingeholt werden sollten. Selbst wenn man aber von einer ordnungsmäßigen Beschlussfassung ausgehen würde, läge kein Beschluss i.S.v. § 23 Abs. 3 WEG vor. Denn der Widerruf der "Stimmabgabe" durch die drei Wohnungseigentümer erfolgte durchaus rechtzeitig, nämlich vor Bekanntgabe des Beschlussergebnisses.
Link zur Entscheidung
OLG Celle, Beschluss vom 08.06.2006, 4 W 82/06
FAZIT:
Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine im schriftlichen Zustimmungsverfahren gem. § 23 Abs. 3 WEG einmal erteilte Zustimmung widerrufen werden kann, ist in der Literatur umstritten. Das Gericht hatte sich hier der Auffassung angeschlossen, dass der Widerruf möglich ist, solange die Mitteilung des Beschlussergebnisses nicht vorliegt. Die Gegenmeinung vertritt unter Hinweis auf § 130 Abs. 1 S. 2 BGB die Auffassung, schon mit dem Zugang der Zustimmungserklärung des einzelnen Wohnungseigentümers - ohne Rücksicht auf die Erklärungen der übrigen Wohnungseigentümer - werde die erteilte Zustimmung unwiderruflich.