Prof. Dr. Stephan Wolf, Andrea Dorjee-Good
a) Aus Sicht der Schweiz
Rz. 49
Stirbt ein Deutscher Erblasser mit letztem Wohnsitz in der Schweiz, so sind gem. Art. 86 Abs. 1 IPRG grundsätzlich die Schweizer Gerichte und Behörden für die Behandlung des gesamten, weltweiten Nachlasses zuständig. Ein Vorbehalt gilt für im Ausland gelegene Grundstücke, falls der ausländische Staat die ausschließliche Zuständigkeit für diese beansprucht (Art. 86 Abs. 2 IPRG). Derzeit ist unklar, ob Deutschland gestützt auf Art. 10 EuErbVO eine ausschließliche Zuständigkeit für Vermögenswerte in Deutschland beansprucht. Da es sich um eine subsidiäre Zuständigkeitsvorschrift handelt, dürfte dies eher nicht der Fall sein.
Rz. 50
Der gesamte Nachlass untersteht sodann grundsätzlich Schweizer Erbrecht (Art. 90 Abs. 1 IPRG). Ein Deutscher kann jedoch mittels Testament oder Erbvertrag eine Rechtswahl zugunsten seines deutschen Heimatrechts treffen (Art. 90 Abs. 2 IPRG). Deutsch-schweizerischen Doppelbürgern ist eine solche Rechtswahlmöglichkeit derzeit verwehrt; auf den Nachlass eines Schweizer Doppelbürgers wird in der Schweiz stets Schweizer Recht angewendet. Außerdem gilt es zu beachten, dass eine Rechtswahl nur für das Erbstatut und nicht für das Eröffnungsstatut möglich ist (Art. 92 Abs. 2 IPRG).
Rz. 51
Ist eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Heimatrechts nach Art. 90 Abs. 2 IPRG zulässig, räumt die herrschende Lehre dem Erblasser überdies das Recht ein, den Nachlass gleichzeitig der deutschen Zuständigkeit zu unterstellen, vorausgesetzt, Deutschland nimmt die entsprechende Zuständigkeitsverweisung an. Derzeit ist nicht vollständig klar, ob dies in Deutschland unter Geltung der EuErbVO der Fall wäre.
Rz. 52
Zu berücksichtigen ist, dass in Deutschland ergangene Entscheide (vorbehaltlich sichernder Maßnahmen) in vorliegender Konstellation in der Schweiz grundsätzlich nur dann anerkannt und vollstreckt werden können, wenn der Erblasser eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Heimatrechts getroffen hat oder soweit sie Grundstücke in Deutschland betreffen (Art. 96 Abs. 1 IPRG).
b) Aus deutscher Sicht
Rz. 53
Aus deutscher Perspektive bestimmen sich die Fragen der Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts grundsätzlich nach der EuErbVO.
Rz. 54
Unter der EuErbVO hängt die Zuständigkeit Deutschlands insbesondere davon ab, ob der Erblasser Vermögenswerte in Deutschland hinterlässt oder nicht. Befindet sich Nachlassvermögen in Deutschland, so erachten sich die deutschen Behörden und Gerichte gestützt auf die EuErbVO grundsätzlich für den gesamten, weltweiten Nachlass eines deutschen Erblassers zuständig, und zwar ungeachtet dessen, dass der Erblasser seinen Wohnsitz und letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hatte (Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO). Daraus resultiert bei einem deutschen Staatsangehörigen mit letztem Wohnsitz in der Schweiz und Vermögenswerten in Deutschland ein positiver Kompetenzkonflikt, weil sich sowohl die deutschen als auch die Schweizer Behörden für die Behandlung des gesamten Nachlasses zuständig erachten. Eine Milderung dieser Problematik lässt sich allenfalls über Art. 12 Abs. 1 EuErbVO erreichen, wonach das deutsche zuständige Gericht in der Schweiz gelegene Vermögenswerte vom Verfahren ausnehmen kann, wenn zu erwarten ist, dass seine Entscheidung in Bezug auf die entsprechenden Vermögenswerte in der Schweiz nicht anerkannt oder nicht vollstreckt wird. Zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten sollte ferner eine ausdrückliche Unterstellung unter die deutsche Zuständigkeit geprüft werden.
Rz. 55
Hinterlässt der Erblasser kein Nachlassvermögen in Deutschland, besteht gestützt auf die EuErbVO grundsätzlich auch keine deutsche Zuständigkeit.
Rz. 56
Gestützt auf die EuErbVO untersteht der Nachlass auch aus deutscher Sicht grundsätzlich dem Schweizer Erbrecht als dem Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO i.V.m. Art. 20 EuErbVO). Allerdings steht es dem Erblasser frei, mittels Rechtswahl sein deutsches Heimatrecht zur Anwendung zu bringen (Art. 22 EuErbVO). Anders als unter dem geltenden Schweizer IPRG genügt es unter der EuErbVO, wenn die Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Rechtswahl bestanden hat; außerdem steht die Rechtswahlmöglichkeit aus deutscher Sicht auch deutsch-schweizerischen Doppelbürgern offen. Eine Rechtswahl eines Schweizer Doppelbürgers wird in der Schweiz derzeit aber als ungültig erachtet.
Rz. 57
Bei Vorliegen einer Rechtswahl können die betroffenen Parteien unter der EuErbVO vereinbaren, dass die Gerichte in Deutschland für Entscheidungen in Erbsachen ausschließlich zuständig sein sollen (Art. 5 Abs. 1 EuErbVO). Eine Verfahrensbeschränku...