Rz. 44

Die Ehegatten bestimmen die eheliche Wohnung gemeinsam (Art. 162 ZGB). Darunter fallen sämtliche Räume, in denen die Ehegatten mit einer gewissen Regelmäßigkeit gemeinsam leben, so dass mehrere eheliche Wohnungen denkbar sind. Unabhängig von der dinglichen bzw. obligatorischen Berechtigung an der ehelichen Wohnung sind beide Ehegatten zu deren Benutzung befugt und beiden steht die Hausgewalt zu (Art. 331 ff. ZGB). Die übereinstimmende Wahl der gemeinsamen Wohnung hat aber weder mietvertragliche noch eigentumsrechtliche Auswirkungen. Insbesondere fällt der Abschluss des Mietvertrages weder unter die ordentliche Vertretungsbefugnis (Art. 166 Abs. 1 ZGB) noch darf aus der gemeinsamen Bestimmung der Wohnung auf eine Ermächtigung zur Vertretung der ehelichen Gemeinschaft i.S.v. Art. 166 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB geschlossen werden.[71]

 

Rz. 45

Die eheliche Wohnung steht nicht zwingend unter dem Schutz der Wohnung der Familie gem. Art. 169 ZGB und Art. 266m f. OR. Die eheliche Wohnung gilt vielmehr nur dann auch als Familienwohnung, wenn sie nach dem Willen der Ehegatten dauernd als gemeinsame Unterkunft dient und dort zudem der Mittelpunkt des Ehe- und Familienlebens liegt. Nicht erforderlich ist das Bestehen einer Familie im herkömmlichen Sinn. Auch ein kinderloses Ehepaar kann m.a.W. über eine Familienwohnung im Sinne des Gesetzes verfügen.[72] Art. 169 ZGB will die Familie vor dem Verlust ihrer Wohnung schützen, indem Rechtsgeschäfte eines Ehegatten, welche an der Familienwohnung bestehende Rechte beschneiden oder aufgeben, nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des anderen Ehegatten abgeschlossen werden können. Vermag ein Ehegatte die Zustimmung nicht einzuholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, kann er das Eheschutzgericht anrufen (Art. 169 Abs. 2 ZGB; siehe hierzu Rdn 50 ff.). Sowohl die Zustimmung des Ehegatten als auch der das Begehren gutheißende Entscheid des Gerichts wirken im Falle eines bereits abgeschlossenen Rechtsgeschäfts ex tunc, verhelfen diesem mithin nachträglich zur Wirksamkeit.[73]

[71] Hausheer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar zu Art. 159–180, Bd. II, Art. 162 ZGB Rn 24 ff.
[72] Hausheer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar zu Art. 159–180, Bd. II, Art. 169 ZGB Rn 13a ff.
[73] Vgl. Hausheer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar zu Art. 159–180, Bd. II, Art. 169 ZGB Rn 64. Die Rechtsnatur der Zustimmung wird kontrovers beurteilt. Die Mehrzahl der Autoren qualifiziert sie als Beschränkung der Handlungsfähigkeit (was bei fehlender Zustimmung bereits ein gültiges Verpflichtungsgeschäft ausschließt), während andere darin lediglich eine Beschränkung der Dispositionsfreiheit sehen. Für einen Überblick über den Meinungsstand siehe Hausheer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar zu Art. 159–180, Bd. II, Art. 169 ZGB Rn 37 ff.; Schwander in: Geiser/Fountoulakis, Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch I, Art. 1456 ZGB, Art. 169 ZGB Rn 15.

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