Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, wie mit einem Selbstbehalt zu verfahren ist. Daneben ging es um die Frage, ob die Wohnungseigentümer bei umstrittenen und höchstrichterlich ungeklärten Rechtsfragen, über die sie sich uneinig sind, ihre zukünftige Verwaltung durch Beschluss festlegen können. Und es ging um die Frage, wann ein Wohnungseigentümer die Änderung des geltenden Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG verlangen kann.
Selbstbehalt
Der BGH klärt in Bezug auf den Selbstbehalt im Zusammenhang mit dem Sondereigentum einen Grundsatzstreit. Die Verwaltungen sollten die Wohnungseigentümer über diese Rechtslage informieren – und über die Möglichkeit, etwas anderes nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG zu bestimmen. Ohne diese Bestimmung fällt der Selbstbehalt allen Wohnungseigentümern zur Last. Der BGH beschreibt 2 Wege:
- Ein Weg bestehe darin, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Schaden beseitige und die Kosten trage, die sie wegen des Selbstbehalts von der Versicherung nicht ersetzt bekomme. Beispiel: Wohnungseigentümer E nennt für Sondereigentum einen Schaden von 10.000 EUR. Versichert sind 2.500 EUR. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss dann 10.000 EUR aufbringen. Die 7.500 EUR, die die Versicherung nicht zahlt, müssen alle Wohnungseigentümer nach § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG aufbringen. Dieser Weg ist aber nur vorstellbar, wenn der Wohnungseigentümer, dessen Sondereigentum einen Schaden erlitten hat, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer insoweit nach einer Absprache gewähren lässt. Denn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und ihre Handwerker haben im Sondereigentum im Übrigen nichts zu suchen.
- Der andere Weg bestehe darin, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dem betroffenen Wohnungseigentümer die Aufwendungen erstattet – wobei der in Höhe des Selbstbehalts nicht von der Versicherung gedeckte Schaden aus dem Gemeinschaftsvermögen entnommen werden müsse. Unklar ist, ob der Verwalter selbst entscheiden darf, ob die angemeldeten Aufwendungen berechtigt sind.
- Der Fehlbetrag, der sich in dem einen wie dem anderen Fall in Höhe des Selbstbehalts auf dem Gemeinschaftskonto ergibt, ist durch weiteren Vorschuss (= eine Sonderumlage) oder mit der Jahresabrechnung auf alle Wohnungseigentümer nach dem allgemeinen oder einem gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG zu beschließenden Umlageschlüssel umzulegen.
Weisungsbeschluss
Der BGH ist in Bezug auf umstrittene und höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfragen der Ansicht, es gebe eine Beschlusskompetenz, diese Frage durch Beschluss zu klären. Ein solcher Beschluss entfalte gem. § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG, wenn er nicht nichtig sei, ohne Weiteres Wirkung und bilde für das Verwaltungshandeln die Grundlage, an die sich auch und insbesondere der Verwalter zu halten habe. Dies bedeute allerdings nicht, dass mit einem solchen Beschluss die Rechtslage abschließend verbindlich festgeschrieben werde. Möglich bleibe eine Beschlussmängelklage. Werde der Beschluss bestandskräftig und kläre sich später, dass die zuvor beschlossene Praxis rechtswidrig sei, weil es eine von der Praxis abweichende höchstrichterliche Rechtsprechung gebe, müsse ein abändernder Beschluss gefasst werden.
Die Wohnungseigentümer können den Umlageschlüssel für den Selbstbehalt nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG ändern.
Nach Ansicht des BGH gibt es im Einzelfall einen Anspruch auf einen Beschluss nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Er bestehe, wenn neben den Voraussetzungen, die § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG nenne, zugleich die Voraussetzungen vorlägen, nach denen der Abschluss oder die Änderung einer Vereinbarung gem. § 10 Abs. 2 WEG verlangt werden könne. Den Wohnungseigentümern sei bei Änderungen des Umlageschlüssels aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Beschluss müsse, wie dies grundsätzlich in § 19 Abs. 1 WEG zum Ausdruck gebracht werde und für alle Beschlüsse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gelte, lediglich ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Denn der Gesetzgeber habe in Bezug auf § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG aufgrund der Vielgestaltigkeit möglicher Beschlüsse über die Kostenverteilung bewusst auf besondere inhaltliche Vorgaben verzichtet.
Der Anspruch eines Wohnungseigentümers, eine für ihn günstige Kostenverteilung durchzusetzen, bestehe jedoch nicht schon dann, wenn der begehrte Umlageschlüssel dem Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche. Innerhalb der Bandbreite einer ordnungsmäßigen Verwaltung seien in der Regel mehrere Umlageschlüssel denkbar. Daher sei der für den Anspruch auf Abschluss oder Änderung einer Vereinbarung geltende Maßstab des § 10 Abs. 2 WEG für den Anspruch auf eine Änderung des Umlageschlüssels durch Beschluss heranzuziehen. Der Gesetzgeber habe durch § 10 Abs. 2 WEG insbesondere die Möglichkeit einer durchsetzbaren Änderung der Kostenverteilung schaffen wollen. Für die erzwungene Änderung der Kostenverteilung könnten aber keine unterschiedlichen Voraussetzungen gelten...