1 Leitsatz
Tritt in einer Wohnungseigentumsanlage aufgrund einer defekten Wasserleitung ein Schaden ein, ist ein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in der verbundenen Gebäudeversicherung vereinbarter Selbstbehalt nach dem gesetzlichen bzw. vereinbarten Umlageschlüssel zu verteilen. Die Wohnungseigentümer können etwas anderes bestimmen.
2 Normenkette
§§ 10 Abs. 2, 16 Abs. 2, 19 Abs. 2 WEG
3 Das Problem
In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es eine verbundene Gebäudeversicherung. Pro Schaden ist ein Selbstbehalt von 7.500 EUR zu zahlen. Kommt es zu einem Schaden, organisiert der Verwalter die Schadensbeseitigung und gleicht dann die Kosten vom Gemeinschaftskonto aus. Anschließend nimmt er die Versicherung in Anspruch und legt die Kosten unter Abzug der Versicherungsleistung nach Miteigentumsanteilen um, und zwar auch insoweit, als die Schäden im Bereich des Sondereigentums entstanden sind.
4 Die Entscheidung
Der BGH meint, diese Praxis sei richtig! Der Selbstbehalt, durch den der Versicherer einen bestimmten Teil des ansonsten versicherten Interesses nicht zu ersetzen habe, sei bei wertender Betrachtung wie die Versicherungsprämie nach dem gesetzlichen bzw. vereinbarten Umlageschlüssel zu verteilen. Die Wohnungseigentümer könnten gem. § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG etwas anderes beschließen.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, wie mit einem Selbstbehalt zu verfahren ist. Daneben ging es um die Frage, ob die Wohnungseigentümer bei umstrittenen und höchstrichterlich ungeklärten Rechtsfragen, über die sie sich uneinig sind, ihre zukünftige Verwaltung durch Beschluss festlegen können. Und es ging um die Frage, wann ein Wohnungseigentümer die Änderung des geltenden Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG verlangen kann.
Selbstbehalt
Der BGH klärt in Bezug auf den Selbstbehalt im Zusammenhang mit dem Sondereigentum einen Grundsatzstreit. Die Verwaltungen sollten die Wohnungseigentümer über diese Rechtslage informieren – und über die Möglichkeit, etwas anderes nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG zu bestimmen. Ohne diese Bestimmung fällt der Selbstbehalt allen Wohnungseigentümern zur Last. Der BGH beschreibt 2 Wege:
- Ein Weg bestehe darin, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Schaden beseitige und die Kosten trage, die sie wegen des Selbstbehalts von der Versicherung nicht ersetzt bekomme. Beispiel: Wohnungseigentümer E nennt für Sondereigentum einen Schaden von 10.000 EUR. Versichert sind 2.500 EUR. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss dann 10.000 EUR aufbringen. Die 7.500 EUR, die die Versicherung nicht zahlt, müssen alle Wohnungseigentümer nach § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG aufbringen. Dieser Weg ist aber nur vorstellbar, wenn der Wohnungseigentümer, dessen Sondereigentum einen Schaden erlitten hat, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer insoweit nach einer Absprache gewähren lässt. Denn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und ihre Handwerker haben im Sondereigentum im Übrigen nichts zu suchen.
- Der andere Weg bestehe darin, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dem betroffenen Wohnungseigentümer die Aufwendungen erstattet – wobei der in Höhe des Selbstbehalts nicht von der Versicherung gedeckte Schaden aus dem Gemeinschaftsvermögen entnommen werden müsse. Unklar ist, ob der Verwalter selbst entscheiden darf, ob die angemeldeten Aufwendungen berechtigt sind.
- Der Fehlbetrag, der sich in dem einen wie dem anderen Fall in Höhe des Selbstbehalts auf dem Gemeinschaftskonto ergibt, ist durch weiteren Vorschuss (= eine Sonderumlage) oder mit der Jahresabrechnung auf alle Wohnungseigentümer nach dem allgemeinen oder einem gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG zu beschließenden Umlageschlüssel umzulegen.
Weisungsbeschluss
Der BGH ist in Bezug auf umstrittene und höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfragen der Ansicht, es gebe eine Beschlusskompetenz, diese Frage durch Beschluss zu klären. Ein solcher Beschluss entfalte gem. § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG, wenn er nicht nichtig sei, ohne Weiteres Wirkung und bilde für das Verwaltungshandeln die Grundlage, an die sich auch und insbesondere der Verwalter zu halten habe. Dies bedeute allerdings nicht, dass mit einem solchen Beschluss die Rechtslage abschließend verbindlich festgeschrieben werde. Möglich bleibe eine Beschlussmängelklage. Werde der Beschluss bestandskräftig und kläre sich später, dass die zuvor beschlossene Praxis rechtswidrig sei, weil es eine von der Praxis abweichende höchstrichterliche Rechtsprechung gebe, müsse ein abändernder Beschluss gefasst werden.
Die Wohnungseigentümer können den Umlageschlüssel für den Selbstbehalt nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG ändern.
Nach Ansicht des BGH gibt es im Einzelfall einen Anspruch auf einen Beschluss nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Er bestehe, wenn neben den Voraussetzungen, die § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG nenne, zugleich die Voraussetzungen vorlägen, nach denen der Abschluss oder die Änderung einer Vereinbarung gem. § 10 Abs. 2 WEG verlangt werden könne. Den Wohnungseigentümern sei bei Änderungen des Umlageschlüssels aufgrund ihres...