Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Krankenversicherungsschutz bei Fehlen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB 5 für die Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren.

2. Besteht mangels Sozialhilfebedürftigkeit kein Anspruch auf laufende Leistungen der Sozialhilfe, so ist Krankenversicherungsschutz nicht mehr gemäß § 48 SGB 12 i. V. m. § 264 SGB 5 zu Lasten des Sozialhilfeträgers sichergestellt.

3. "Zuletzt gesetzlich krankenversichert" i. S. von § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB 5 bedeutet nicht, dass einer möglichen "Bürgerversicherung" eine gesetzliche Krankenversicherung zeitlich unmittelbar vorausgegangen sein muss. Damit kommt es nicht darauf an, ob vor der Zeit der Nichtabsicherung eine Absicherung nach Maßgabe sozialhilferechtlicher Regelungen bestanden hat.

4. Wer schwer krank ist und auf ständige ärztliche Hilfe angewiesen ist, hat ein nachvollziehbares Interesse an einer schnellen Klärung seines krankenversicherungsrechtlichen Status. Damit ist der für die Bewilligung von Krankenversicherungsschutz durch einstweiligen Rechtsschutz erforderliche Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller einstweiligen Krankenversicherungsschutz nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch SGB V), insbesondere Krankenbehandlung gemäß §§ 27 ff. SGB V zu gewähren. Die einstweilige Anordnung gilt längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens S 13 KR 99/09 (SG Aachen). Die Kosten des Antragstellers trägt die Antragsgegnerin.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller (Ag.) Anspruch auf Krankenversicherungsschutz als versicherungspflichtiges Mitglied nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hat.

Der am 00.00.1940 geborene Ast. ist schwer krank; er leidet an Diabetes, Arthrose und einer Lungenerkrankung; er benötigt ständig ärztliche Hilfe. Vom 01.01. bis 09.10.2005 war er aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II bei der Ag. pflichtversichert. Anschließend bezog er bis einschließlich 31.03.2009 laufende Sozialhilfeleistungen; neben einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält er seit 01.04.2009 Wohngeld (Bescheide des Oberbürgermeisters der Stadt B. vom 01.04.2009 - Sozialamt und Wohngeldstelle).

Am 08.04.2009 erstattete der Ast. bei der Ag. eine "Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V". Durch Bescheid vom 14.04.2009 lehnte die Ag. eine Mitgliedschaft bei ihr ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 30.06.2009 zurück.

Dagegen hat der Ast. am 03.07.2009 Klage erhoben (S 13 KR 99/09).

Ebenfalls am 03.07.2009 hat der Ast. beim Sozialgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er ist der Auffassung, dass es nicht sein könne, dass er, weil das Sozialamt nicht mehr zuständig sei, nun ohne Krankenversicherungsschutz sei. Wenn er die notwendige ärztliche Hilfe nicht bekomme, könne das für ihn lebensbedrohlich sein.

Der Antragsteller beantragt seinem Vorbringen nach,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Krankenversicherungsschutz zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Sie ist der Auffassung, es bestehe keine gesetzliche Krankenversicherungspflicht des Ast.; seiner Pflichtmitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V stehe insbesondere entgegen, dass er nicht "zuletzt gesetzlich krankenversichert" gewesen sei.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Ast. muss glaubhaft machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO), dass ihm ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund). Einstweilige Anordnungen kommen grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage dringend geboten ist.

Es besteht ein Anordnungsgrund. Die summarische Prüfung des Sachverhalts hat ergeben, dass eine Krankenversicherungspflicht des Ast. nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V besteht und er deshalb Anspruch auf Krankenversicherungsschutz nach dem SGB V hat. Nach dieser Vorschrift besteht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im ...

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