Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung. Bestehen von Versicherungspflicht für eine Person, die zuvor Gesundheitsfürsorge nach dem StVollzG bezogen hat. Bezug von Arbeitslosengeld II

 

Orientierungssatz

1. "Zuletzt gesetzlich krankenversichert" im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a) SGB V bedeutet nicht, dass einer möglichen "Bürgerversicherung" eine gesetzliche Krankenversicherung zeitlich unmittelbar vorausgegangen sein muss. Es ist unschädlich, wenn nach dem Ende einer Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Krankenversicherung ein Zustand bestanden hat, in dem die betreffende Person nicht gesetzlich krankenversichert war.

2. Das Tatbestandsmerkmal "zuletzt gesetzlich krankenversichert" ist damit nicht so zu verstehen, dass eine Person, die zuvor Leistungen der Gesundheitsfürsorge nach dem StVollzG bezogen hat, aus dem Versicherungsschutz nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ausscheidet.

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller einstweilen Krankenversicherungsschutz nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), insbesondere Krankenbehandlung gemäß §§ 27 ff. SGB V zu gewähren. Die einstweilige Anordnung gilt längstens bis zur bestandskräftigen Entscheidung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12.05.2009, im Fall eines anschließenden Klageverfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss. Die mit dieser Anordnung getroffene Regelung wird außerdem mit Ablauf des letzten Tages, für den der Antragsteller Arbeitslosengeld II bezieht, gegenstandslos, sofern nicht im Anschluss daran ein anderer Versicherungstatbestand die weitere Mitgliedschaft bei der Ag. begründet. Die Kosten des Antragstellers trägt die Antragsgegnerin.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller (Ast.) Anspruch auf Krankenversicherungsschutz als versicherungspflichtiges Mitglied nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hat.

Der am 00.00.1982 geborene Ast. ist schwer drogenabhängig und obdachlos. Bis 28.02.2006 war er als Bezieher von Arbeitslosengeld (Alg) II versicherungspflichtiges Mitglied der Antragsgegnerin (Ag.). Vom 23.02.2006 bis 17.09.2007 war er in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aachen inhaftiert. Der Grund für die Haftentlassung am 17.09.2007 war, dass der Ast. einen Therapieplatz für eine Drogenentziehungsmaßnahme im "Haus Hohenlinden" in Remagen erhalten hatte. Der Ast. trat die Therapie jedoch nicht an; auf der Fahrt dorthin stieg er aus dem PKW aus und tauchte unter. Als er sich wieder bei seiner Großmutter - seiner Bevollmächtigten in diesem Verfahren - meldete, bestand diese darauf, dass er sich der Polizei stellt. Daraufhin wurde er wieder inhaftiert und befand sich vom 07.1.2008 bis 11.02.2009 in der JVA Aachen. Während der Haftzeiten hatte der Ast. Anspruch auf Krankenbehandlung gemäß § 58 Strafvollzugsgesetz (StVollzG). Bei der Haftentlassung am 11.02.2009 erhielt er ein Haftentlassungsgeld von 80,00 EUR.

Am 24.02.2009 beantragte der Ast. Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er bezieht seitdem laufend Alg II; die Regelleistung wird ihm per Barscheck ausgezahlt. Die ARGE der Stadt Aachen meldete den Ast. zum 24.02.2009 als krankenversicherungspflichtig bei der Ag. an.

Durch Bescheid vom 12.05.2009 lehnte die Ag. eine Mitgliedschaft bei ihr ab mit der Begründung, der Ast. unterliege gemäß § 5 Abs. 5a SGB V zum 24.02.2009 nicht der Versicherungspflicht, da er unmittelbar vorher über die freie Heilfürsorge in der JVA versichert gewesen sei.

Dagegen legte der Ast. am selben Tag Widerspruch ein, über den die Ag. bisher nicht entschieden hat.

Ebenfalls am 12.05.2009 hatte der Ast. beim Sozialgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er hat die Bestätigung der LWL-Klinik Warstein über einen Aufnahmetermin am 19.05.2009 zur qualifizierten Drogenentzugsbehandlung vorgelegt. Er trägt vor, wegen der Dringlichkeit der Drogenentzugsbehandlung sei der Termin auf den 14.05.2009 vorverlegt worden. Voraussetzung für die Aufnahme sei aber der Nachweis einer Krankenversicherung und eine gültige ärztliche Einweisung. Die ärztliche Einweisung erfolge jedoch nur, wenn Krankenversicherungsschutz nachgewiesen sei.

Der Antragsteller beantragt seinem Vorbringen nach,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Krankenversicherungsschutz zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Sie ist der Auffassung, es bestehe keine gesetzliche Krankenversicherungspflicht des Ast ... Selbst wenn Versicherungspflicht als Bezieher von Alg II nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V bestünde, sei fraglich, ob sie die zuständige Krankenkasse sei. Es stelle sich die Frage, ob der Ast. zwischen den beiden Haftzeiten vom 18.09.2007 bis 06.01.2008 Mitglied einer anderen Krankenkasse war, die dann für die Durchführung der Versicherung zuständig wäre.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts Auskünfte eingeholt. Von der JVA Aachen ist mitgeteilt worden, dass der Ast. am 17.09.2007 aus der...

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