Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollziehungsinteresse für Erteilung der Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei Gewährung von Hilfe zur Pflege
Orientierungssatz
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die vom Träger der Sozialhilfe für sofort vollziehbar erklärte Aufforderung an die Tochter eines Hilfeempfängers, der Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Hilfe zur Pflege erhält, Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen, ist im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86b SGG nicht anzuordnen, da für das Auskunftsverlangen nach § 117 SGB 12 der Nachranggrundsatz des § 2 SGB 12 ein ausreichendes Vollziehungsinteresse begründet und durch die Auskunftserteilung keine irreversiblen Nachteile drohen.
2. Für die Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB 12 gilt die Vermutung des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB 12, die dazu führen kann, dass die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB 12 nach bestimmten Maßgaben den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüchen vorgehen, nicht, da die abschließende Aufzählung der privilegierten Leistungen in § 42 SGB 12 sie nicht einschließt.
Tenor
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des am 18.11.2009 erhobenen Widerspruchs gegen Bescheid des Antragsgegners vom 06.11.2009 wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten.
Der Streitwert wird auf 1250,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Bescheid, mit dem sie zur Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert worden ist.
Die Antragstellerin ist die Tochter des am 00.00.00 geborenen D (i.F.: Hilfeempfänger), der seit dem 01.11.2009 Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Hilfe zur Pflege in einer stationären Einrichtung i.H.v. derzeit 997,12 Euro monatlich erhält.
Mit Bescheid vom 06.11.2009 erklärte der Antragsgegner, ein etwaiger bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers gegenüber der Antragstellerin sei infolge der Hilfegewährung auf ihn übergegangen, und forderte die Antragstellerin zu bestimmten Angaben über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse auf. In der anschließenden "Rechtsmittelbelehrung" heißt es, gegen die Aufforderung zur Auskunftserteilung könne Widerspruch erhoben werden. Schließlich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung "dieses Bescheides" an. Die Antragstellerin hat hiergegen (nach telefonischer Auskunft des Antragsgegners) am 18.11.2009 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist.
Am 03.12.2009 hat sich die Antragstellerin an das Gericht gewandt.
Sie führt aus, es bestünden ernstliche Zweifel an einem möglichen Anspruchsübergang und auch an einem Auskunftsanspruch des Antragsgegners. Der Hilfeempfänger habe einen vorrangigen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, der einem Unterhaltsanspruch gegenüber der Antragstellerin vorgehe. Auf diese Weise seien sowohl sein Lebensunterhalt als auch die Pflegekosten abgedeckt. Einem Auskunftsanspruch stehe auch die Vermutung in § 43 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) entgegen. Überdies sei sie auch nach Bürgerlichem Recht nicht zum Unterhalt verpflichtet. Angesichts all dessen fehle es auch an einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebenden Wirkung des am 18.11.2009 erhobenen Widerspruchs gegen Bescheid des Antragsgegners vom 06.11.2009 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er bleibt bei seiner Auffassung.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Antragsgegner hat die sofortigen Vollziehung rechtmäßig angeordnet.
Die Kammer verkennt nicht, dass die Form und insbesondere die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht ganz frei von rechtlichen Zweifeln sind (so wird beispielsweise nicht klar, welcher Aspekt der Begründung § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG und welcher § 86a Abs. 3 SGG betrifft). Diese Zweifel greifen indes nicht durch, denn bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Auskunftsverlangens nach § 117 SGB XII kann im Rahmen der gerichtlichen Prüfung bereits der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) ein ausreichendes Vollziehungsinteresse begründen (hierzu und zum Folgenden Hessisches LSG, Beschluss vom 29.12.2008, L 7 SO 62/08 B ER, juris, Rn. 15). Dies gilt umso mehr, als dem Auskunftspflichtigen kein irreversibler Nachteil droht, wenn er seiner Auskunftspflicht nachkommt, denn eine Leistungspflicht gegenüber dem Sozialhilfeträger ist hiermit naheliegenderweise noch nicht verbunden und erhobene Da...