Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftspflicht des potenziell Unterhaltspflichtigen dem leistenden Grundsicherungsträger gegenüber
Orientierungssatz
1. Die Verpflichtung des potenziell Unterhaltspflichtigen, insbesondere des in gerader Linie Verwandten, zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gegenüber dem Sozialhilfeträger ist nicht davon abhängig, ob im konkreten Fall ein Unterhaltsanspruch besteht.
2. Der Zweck der Vorschrift ermöglicht es, alle Personen als Unterhaltspflichtige i. S. der sozialhilferechtlichen Vorschriften anzusehen, die als Unterhaltsschuldner in Betracht kommen und nicht offensichtlich ausscheiden.
Tenor
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 20.11.2009 gegen Bescheid des Antragsgegners vom 06.11.2009 wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auf 1.250.- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Bescheid, mit dem sie zur Auskunft über ihre EInkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert worden ist.
Die Antragstellerin ist die Tochter des am 02.03.1927 geborenen K.E. (i.F.: Hilfeempfänger), der seit dem 01.11.2009 Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Hilfe zur Pflege in einer stationären Einrichtung i.H.v. derzeit 997,12 Euro monatlich erhält.
Mit Bescheid vom 06.11.2009 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, sowohl der mögliche bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers ihr gegenüber als auch der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch sei infolge der Hilfegewährung auf ihn übergegangen; er forderte die Antragstellerin zu bestimmten Auskünften über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse auf. In der anschließenden "Rechtsmittelbelehrung" heißt es, gegen die Aufforderung zur Auskunftserteilung könne Widerspruch erhoben werden; schließlich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung "dieses Bescheides" an. Die Antragstellerin hat hiergegen (mit Schreiben vom 20.11.2009) am 23.11.2009 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist.
Am 03.12.2009 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Sie führt aus, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, an der Bedürftigkeit des Hilfeempfängers, an einem Unterhaltsanspruch ihr gegenüber und an einem Auskunftsanspruch des Antragsgegners. Dem Hilfeempfänger stünden vorrangig Leistungen der Grundsicherung und der Hilfe zur Pflege zur Verfügung, sodass bereits an der Bedürftigkeit erhebliche Zweifel gegeben seien. Einem Auskunftsanspruch stehe auch die Vermutung in § 43 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) entgegen. Überdies sei sie nach Bürgerlichem Recht nicht zum Unterhalt verpflichtet. Angesichts all dessen fehle es an einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung; die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei ermessensfehlerhaft, es sei überhaupt keine Interessenabwägung vorgenommen worden.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 20.11.2009 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 06.11.2009 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er bleibt bei seiner Auffassung.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Antragsgegner hat die sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 06.11.2009 rechtmäßig angeordnet.
Die von der Antragstellerin geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 06.11.2009 greifen nicht durch. Der Übergang von Unterhaltsansprüchen eines Hilfeempfängers auf den Sozialhilfeträger wird für die Zeit der Leistungserbringung kraft Gesetzes bewirkt; das bestimmt § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Die Mitteilung über die Erbringung von Sozialhilfe hat lediglich Bedeutung für die Wahrung von Rechten des Sozialhilfeträgers (vgl. § 94 Abs. 4 SGB XII). Ob und ggf. in welcher Höhe ein Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers gegenüber der Antragstellerin besteht, ist erforderlichenfalls in einem zivilgerichtlichen Prozess zu klären. Da die Mitteilung/Rechtswahrungsanzeige gem. § 94 Abs. 4 SGB XII noch nicht unmittelbar in die Rechtsposition des Unterhaltspflichtigen eingreift, ist sie kein Verwaltungsakt, es handelt sich um schlichtes Verwaltungshandeln (Münder in: LPK-SGB XII, 8. Auflg. 2008, § 94 Rn. 82). Das Auskunftsverlangen des Antragsgegners ist offensichtlich rechtmäßig.
Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII haben alle potenziell Unterhaltspflichtigen, also insbesondere Verwandte in gerader Linie (vgl. nur Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., 2008, § 117, Rn. 7) dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse...