Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für den Ehegatten und das schulpflichtige Kind des als Arbeitnehmer leistungsberechtigten Unionsbürgers bei dessen Ausreise

 

Orientierungssatz

1. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 haben diejenigen Unionsbürger keinen Anspruch auf Leistungen des SGB 2, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder die ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 10 EUV 492/2011 ableiten. Das Freizügigkeitsrecht des § 3 Abs. 1 FreizügG knüpft daran an, dass Familienangehörige den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Ein vom Ehemann abgeleitetes Aufenthaltsrecht zur Herstellung eines gemeinsamen Familienlebens ist nach dessen Ausreise ausgeschlossen, weil der Regelungszweck nicht mehr erreicht werden kann.

2. Das Ausbildungsrecht des Kindes nach Art. 10 EUV 492/2011 setzt voraus, dass das Kind mit einem Elternteil in einem Mitgliedstaat in der Zeit lebt, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnt. Weil der Erwerb des Ausbildungsrechts an den Status als Kind eines Arbeitnehmers gebunden ist, führt die Ausreise des Elternteils zu dessen Verlust der Arbeitnehmereigenschaft und damit zum SGB 2-Leistungsausschluss für das schulpflichtige Kind.

 

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 24.05.2017 gegen den Bescheid vom 19.05.2017 wird abgelehnt.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Aufhebung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab 21.04.2017.

Die am 00.00.0000 geborene Antragstellerin ist r. Staatsangehörige und lebt seit 09.09.2015 in der Bundesrepublik Deutschland. Bis 21.04.2017 lebte sie in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann Q. L. (geb. 00.00.0000) und ihren Kindern B. L. (geb. 00.00.0000) und Q. L. (geb. 00.00.0000). Der Ehemann war bereits im Mai 2015 in die Bundesrepublik eingereist und stand zunächst in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Nach Einleitung eines Insolvenzverfahrens wurde das Arbeitsverhältnis des Ehemanns zum 31.12.2016 arbeitgeberseits gekündigt. Zum 21.04.2017 ist der Ehemann, welcher wie die Antragstellerin und die Kinder die r. Staatsangehörigkeit inne hat, zurück in die R. ausgereist. Die Eheleute haben sich getrennt. Der Ehemann der Antragstellerin hat nicht die Absicht erneut in die Bundesrepublik einzureisen. Seither lebt die Antragstellerin mit ihren Kindern unter der im Rubrum angegebenen Anschrift. Mit Bescheid vom 17.03.2017 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin und den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 01.04.2017 bis 31.10.2017. Dabei berücksichtigte er ein Einkommen des Ehemanns der Antragstellerin in Höhe von 897,00 EUR (Arbeitslosgengeld I) sowie jeweils 192,00 EUR Kindergeld. Der Sohn der Antragstellerin bezieht weiter Pflegegeld in Höhe von 728,00 EUR (Pflegegrad 4), welches der Antragsgegner nicht als Einkommen anrechnete. Mit Schreiben vom 27.04.2017 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass ihr Ehemann ausgereist sei und bat um Neuberechnung der Leistungen. Mit Bescheid vom 19.05.2017 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 17.03.2017 für Zeiträume ab 21.04.2017 auf. Zur Begründung führte er aus, dass der Ehemann in die R. ausgereist sei und bei der Antragstellerin ein Arbeitnehmerstatus nicht gegeben sei. Gegen den Bescheid vom 19.05.2017 legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 23.05.2017, welches am 24.05.2017 einging, Widerspruch ein. Eine Begründung steht noch aus.

Am 02.06.2017 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz beim Sozialgericht Aachen gestellt. Sie hat mitgeteilt, dass die Antragstellerin ihre Ehe als gescheitert ansehe. Die Tochter B. besuche die erste Klasse der Grundschule. Ihr sei bewusst, dass sie eine Arbeitsstelle annehmen müsse. Sie bewerbe sich bereits. Der Antragsgegner müsste unter Berücksichtigung von Pflege- und Kindergeld jedenfalls den Regelbedarf weiterzahlen.

Der Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 24.05.2017 gegen den Bescheid vom 19.05.2017 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Auffassung, dass die Leistungsgewährung aufzuheben war, da die Antragstellerin und ihre Kinder nicht über einen Arbeitnehmerstatus verfügen. Eine Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II komme nicht in Betracht, gegebenenfalls müsse eine Zuständigkeit der Stadt B. geprüft werden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.

II. Soweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs für den Aufhebungszeitraum 21.04.2017 bis 31.05.201...

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