Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts auf die nach bewilligter Prozesskostenhilfe angefallene Verfahrensgebühr
Orientierungssatz
1. Für eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG reicht es nicht aus, dass die Geschäftsgebühr entstanden ist; vielmehr ist eine tatsächliche Zahlung erforderlich.
2. Dies ergibt sich u. a. aus § 55 Abs. 5 S. 2 bis 4 RVG. Danach hat der Rechtsanwalt anzugeben, welche Zahlung auf etwa anzurechnende Gebühren geleistet worden sind. Damit sind bei der Kostenfestsetzung nur geleistete Zahlungen zu berücksichtigen.
Tenor
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers werden die dem Erinnerungsgegner gem. § 59 Abs. 1 S. 1 RVG zu erstattenden Kosten auf 446,25 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der im Rahmen der Prozesskostenhilfe festgesetzten Rechtsanwaltsvergütung und deren Übergang auf die Landeskasse nach § 59 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) streitig. Umstritten ist dabei die Frage, ob auf die Verfahrensgebühr der Vergütung eines Rechtsanwaltes für das gerichtliche Verfahren aus Ziffer 3102 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Anl. 1 Vergütungsverzeichnis (VV RVG) nach Teil 3 der Vorbemerkungen 3, Abs. 4 S. 1 VV RVG die im Vorverfahren entstandene Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG abstrakt oder in Höhe einer tatsächlichen Zahlung anzurechnen ist.
Im Klageverfahren (S 14 AS 20/15) war die Feststellung der Minderung eines Leistungsanspruches nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen dreier Meldeversäumnisse i.H.v. jeweils 10 % des Regelbedarfs Streitgegenstand. Das Verfahren endete am 24.07.2015 durch Vergleich. Die Beteiligten einigten sich darauf, dass die Hälfte der aufgrund der Sanktionen einbehaltenen Leistungen nachträglich ausgezahlt werde. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Klägers verständigten sich die Beteiligten auf eine hälftige Übernahme durch den Beklagten (Erinnerungsführer) dem Grunde nach.
Dem Kläger war mit Beschluss vom 19.03.2015 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Rechtsanwaltes P. bewilligt worden. Am 30.07.2015 beantragte der Rechtsanwalt die Festsetzung seiner Vergütung auf Grundlage der Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse wie folgt:
Verfahrensgebühr nach Ziffer 3102 VV RVG 300,00 EUR Termingebühr nach Ziffer 3106 VV RVG 280,00 EUR Erledigungsgebühr, Einigungsgebühr nach Ziffer 1006 300,00 EUR Auslagenpauschale nach Ziffer 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer nach Ziffer 7008 VV RVG 171,00 EUR Gesamtsumme 1.071,00 EUR
Er gab an, für die außergerichtliche Vertretung bezüglich desselben Gegenstandes sei eine Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300-2303 VV RVG i.H.v. 380,80 EUR entstanden. Er habe diese Gebühr nicht erhalten.
Unter dem 04.08.2015 gab die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle dem Erinnerungsführer Gelegenheit zur Stellungnahme, da dieser über § 59 RVG mittelbar an der Festsetzung beteiligt sei.
Unter dem 10.08.2015 teilte der Erinnerungsführer mit, er gehe von einer entstandenen Geschäftsgebühr i.H.v. 300 EUR aus, die er mangels Vorlage einer Kostennote nicht habe begleichen können. Er bitte um einheitliche Festsetzung der Kosten des Vorverfahrens und des Gerichtsverfahrens. Bei der Verfahrensgebühr sei dann die Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen.
Auf die Anregung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle einen einheitlichen Kostenfestsetzungsantrag für Vor - und Klageverfahren zu stellen, beantragte der Rechtsanwalt am 31.08.2015 neben der Festsetzung der PKH - Vergütung die Festsetzung der von dem Erinnerungsführer zu übernehmenden vorgerichtlichen Gebühren i.H.v. 190,40 EUR bei einer Gesamtkostennote für das Vorverfahren i.H.v. 380,80 EUR (davon 300 EUR Geschäftsgebühr nach Ziffer 2302 VV RVG). Zwar könne er keine rechtliche Grundlage für einen einheitlichen Festsetzungsantrag unter Einschluss der von der Gegenseite teilweise zu zahlenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren erkennen. Es möge gegebenenfalls jedoch die Hälfte der von der Gegenseite zu tragenden vorgerichtlichen hälftigen Geschäftsgebühr in Anrechnung gebracht werden.
Der Erinnerungsführer erklärte darauf Ende September 2015, die hälftigen Kosten aus dem Widerspruchsverfahren - wie beantragt (190,40 EUR) - zu übernehmen. Im Klageverfahren sei von einem Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes i.H.v. 892,50 EUR auszugehen, von dem der Erinnerungsführer die Hälfte (446,25 EUR) trage. Die seitens des Rechtsanwaltes angesetzten Gebühren erkannte der Erinnerungsführer dem Grunde nach als zutreffend an, rechnete auf die Verfahrensgebühr (Ziffer 3102 VV RVG) jedoch 150 EUR Geschäftsgebühr (Ziffer 2302 S. 1 Nr. 1 VV RVG) gemäß Vorbemerkung 3, Teil 3, Abs. 4 S. 1 VV RVG an und korrigierte die Umsatzsteuer...