Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlrecht des Rechtsanwalts bei aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren
Orientierungssatz
1. Die Vorschrift des § 15a Abs. 1 RVG ist immer dann anzuwenden, wenn der Anwalt mehrere Gebühren verdient hat und das Gesetz eine Anrechnung der einen auf eine andere Gebühr vorsieht. Die Vorschrift sieht ausdrücklich eine Wahlfreiheit des Rechtsanwalts hinsichtlich der Geltendmachung der Gebühren vor. Zweck der Vorschrift ist es, im Innenverhältnis von Auftraggeber und Rechtsanwalt dem Letzteren die volle Wahlfreiheit zu lassen, welche Gebühr er in voller Höhe verlangen will und welche er dann infolge der Deckelung durch die Höchstsumme infolge der Anrechnung nur beschränkt verlangt.
2. Hat ein Termin nicht stattgefunden und hat der Kläger das Verfahren für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte dem Klagebegehren teilweise entsprochen hat, so ist die Terminsgebühr nach Nr. 3106 S. 2 Nr. 1 VV RVG nicht entstanden.
3. Ist das Hauptsacheverfahren nicht durch übereinstimmende Willenserklärungen beendet worden war das Verfahren bereits beendet, als sich die Beteiligten über eine Kostengrundquote verständigt haben, so kommt die Auslösung einer fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 S. 2 Nr. 1 VV RVG nicht mehr in Betracht.
4. Dagegen ist in einem solchen Fall die Einigungsgebühr nach Nrn. 1006, 1005, 1000 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG angefallen. Die Vergabe der Einigungsgebühr für einen Kostenvergleich führt zur gerichtsentlastenden Vermeidung einer streitigen Entscheidung über die Kostentragung. Im Übrigen entsteht durch die Mitwirkung an einem Kostenvergleich eine Mehrbelastung und eine erhöhte Verantwortung des Rechtsanwalts im Vergleich zu einer Kostengrundentscheidung.
Tenor
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Sozialgerichts vom 09.02.2016 werden die zu erstattenden Kosten auf 211,17 festgesetzt. Die weitergehende Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der von der Staatskasse zu erstattenden Vergütung des beigeordneten Rechtsanwaltes.
Der Erinnerungsführer war bereits im Verwaltungsverfahren und im anschließenden Widerspruchsverfahren mit der Angelegenheit des zugrunde liegenden Klageverfahrens befasst.
In diesem Verfahren (S 14 AS 694/15) war ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, Grundsicherungsleistungen die Monate Februar und März 2015 betreffend, streitig. Im Laufe des Verfahrens hob der Beklagte seinen Aufhebungsbescheid in Bezug auf den Monat März 2015 teilweise auf. Die ursprüngliche Erstattungsforderung wurde entsprechend von ursprünglich 71,80 EUR auf 57,24 EUR reduziert. Das Verfahren endete daraufhin durch klägerseitige Erledigungserklärung vom 28.10.2015 am 29.10.2015 (Eingang bei Gericht), verbunden mit einem Antrag über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Auf Vorschlag des Gerichts einigten die Beteiligten sich darauf, dass der Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach zu 1/5 zu tragen habe. Antragsgemäß (Antrag vom 14.12.2015) brachte der Beklagte letztlich Kosten für das Widerspruchs- und Klageverfahren in Höhe von insgesamt 252,28 EUR (brutto) zum Ausgleich, davon 211,82 EUR für das Klageverfahren. Bei der entsprechenden Kostenrechnung nahm der Erinnerungsführer eine Anrechnung gem. Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG in Höhe der Hälfte der mit 300,00 EUR angesetzten Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren nach Nr. 2302 Nr. 1 VV RVG vor.
Dem Kläger war mit Beschluss vom 06.08.2015 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers bewilligt worden. Am 05.02.2016 beantragte dieser die Festsetzung seiner Vergütung aus der Staatskasse wie folgt:
Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG 270,00 EUR Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG 300,00EUR Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG 201,40 EUR Gesamtsumme 1.059,10 EUR abzüglich Vorschüsse oder sonstige Zahlungen nach § 58 RVG 211,82 EUR Forderung 847,28 EUR
Am 09.02.2016 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen unter Anrechnung der an den Erinnerungsführer geleisteten Vorschusszahlung auf insgesamt 133,28 EUR fest. Dabei berücksichtigte er:
Verfahrensmittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG unter Anrechnung der Hälfte der vereinnahmten Geschäftsgebühr in Höhe von 30,00 EUR (1/5 von 300,00 EUR./. 2) 270,00 EUR Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG 55,10 EUR Gesamtsumme 345,10 EUR abzüglich Vorschüsse oder sonstige Zahlungen nach § 58 RVG 211,82 EUR Festsetzung 133,28 EUR
Gem. Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG werde die Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Im vorliegenden Verfahren habe der Erinnerungsführer von dem Beklagten auf die Geschäftsgebühr eine Zahlung in Höhe von 60,00 EU...