Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter. Hilfe bei Krankheit. Entlassung nach Inhaftierung. kein Leistungsanspruch gegen GKV aufgrund von § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5. Tatbestandsmerkmal. Auslegung

 

Orientierungssatz

1. Das Tatbestandsmerkmal "zuletzt gesetzlich krankenversichert" gem § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 5 liegt nur dann vor, wenn der Zeit ohne Absicherung im Krankheitsfall eine Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse unmittelbar vorausging. Dabei ist es ohne Bedeutung, wie lange diese gesetzliche Krankenversicherung zurückliegt, wie lange sie bestand und aus welchem Grund sie beendet wurde.

2. Auch soweit das zwischenzeitliche Fehlen einer Absicherung im Krankheitsfall von der betreffenden Person zu vertreten ist, steht dies einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 nicht entgegen.

3. Lag zwischen dem Ausscheiden aus der gesetzlichen Krankenversicherung und der begehrten Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 5 eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall vor (hier: Krankenbehandlung nach § 58 StVollzG), ist die Voraussetzung "zuletzt gesetzlich krankenversichert" iS des § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 5 nicht erfüllt.

4. Besteht wegen § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 5 kein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und ist der Hilfebedürftige noch nicht im Bezug von Leistungen nach dem SGB 12 iS des § 5 Abs 8a S 2 SGB 5, so kommen Leistungen der Hilfe bei Krankheit nach § 48 SGB 12 in Betracht.

5. Das Tatbestandsmerkmal "bisher" in § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB 5 betrifft diejenigen Personen, die noch nie gesetzlich oder privat krankenversichert waren.

 

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung über das (Nicht-)Bestehen einer Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Krankenhilfe nach § 48 SGB XII zu gewähren. Die Kosten des Antragstellers trägt der Antragsgegner.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller (Ast.) gegen den Antragsgegner (Ag.) einen Anspruch auf Krankenhilfe nach § 48 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Krankenversicherungsschutz nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hat.

Der am 00.00.1933 geborene Ast. war bis 11.07.1995 bei der Beigeladenen gesetzlich krankenversichert. Vom 09.06.1995 bis 28.02.2008 war er inhaftiert. Aufgrund dessen hatte er bis 28.02.2008 Anspruch auf Krankenbehandlung gem. § 58 Strafvollzugsgesetz (StVollzG). Seit 01.03.2008 erhält der Ast. laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Einen Anspruch für Februar (29.02.) 2008 lehnte der Ag. mangels Bedürftigkeit im Hinblick auf das Haftentlassungsgeld des Ast. ab.

Durch Bescheid vom 14.03.2008 stellte die Beigeladene fest, dass ein Anspruch auf eine Pflichtversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht bestehe.

Durch Bescheid vom 19.03.2008 stellte der Ag. fest, dass der Ast. keinen Anspruch auf Krankenhilfe nach dem SGB XII habe. Er vertrat die Auffassung, der Ast. unterliege seit dem 29.02.2008 der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V.

Am 19.03.2008 hat der Ast. beim Sozialgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er trägt vor, er sei dringend auf ärztliche Behandlung angewiesen. Aufgrund eines erlittenen Steckschusses in der Hüfte und großer Schmerzen im linken Knie nach drei Operationen benötige er ärztliche Hilfe.

Der Antragsteller beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab 01.03.2008 Krankenhilfe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Erlasse einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Er ist der Auffassung, der Ast. habe keinen Anspruch auf Krankenhilfe nach dem SGB XII. Denn er sei seit dem 29.02.2008 Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese ergebe sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Am 29.02.2008 habe der Ast. keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gehabt, also die Voraussetzungen des genannten Pflichtmitgliedschaftstatbestandes erfüllt.

Die Beigeladene ist der Auffassung, der Ast. erfülle nicht die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Denn diese Vorschrift setze neben der fehlenden anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall voraus, dass die betreffende Person "zuletzt gesetzlich krankenversichert" gewesen sei (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB V). Diese Voraussetzung erfülle der Ast. nicht, da er zuletzt aufgrund seiner Inhaftierung Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem StVollzG gehabt habe also nicht zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen sei.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Ag. ist zulässig und begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine s...

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