Entscheidungsstichwort (Thema)
Recht der sozialen Grundsicherung: Zulässigkeit eines Auskunftsanspruchs des Sozialleistungsträgers gegenüber einem möglichen Unterhaltsverpflichteten. Voraussetzung der Anordnung des Sofortvollzugs eines Auskunftsverlangens. Ermittlung des Zugangs eines Sozialverwaltungsaktes bei förmlicher Zustellung mit Empfangsbekenntnis
Orientierungssatz
1. Die Verpflichtung zur Auskunft eines potentiell Unterhaltspflichtigen über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gem. § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB 12 gegenüber dem Sozialhilfeträger besteht unabhängig von einem konkreten Unterhaltsanspruch, jedenfalls soweit ein entsprechender Unterhaltsanspruch nicht offensichtlich nicht besteht. Eine solche Offensichtlichkeit ist nicht gegeben, wenn die gegen die Unterhaltsverpflichtung erhobenen Einwände zum Maß des Unterhalts einer näheren (zivilgerichtlichen) Prüfung bedürfen.
2. Im Rahmen der gerichtlichen Prüfung einer Anordnung der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Auskunftsverlangens nach § 117 SGB 12 kann bereits der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe ein ausreichendes Vollziehungsinteresse begründen. Ein besonderes Vollziehungsinteresse ist schon deshalb gegeben, weil nur eine zeitnahe Geltendmachung ggf. übergegangener Unterhaltsansprüche den Nachrang der dem potentiell unterhaltsberechtigten Hilfebedürftigen erbrachten Sozialhilfeleistungen sicherstellt.
3. Bei einer förmlichen Zustellung eines Bescheides mittels Empfangsbekenntnis gilt nicht die Postlaufregel gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB 10 zum Beweis des Zugangszeitpunktes, sondern das datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens -mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen - trägt der Kläger.
Der Streitwert wird auf 7.750,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gem. § 117 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet ist, des Weiteren über die Rechtmäßigkeit der Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 250,00 EUR sowie über die Aussetzung des Verwaltungszwangsverfahrens.
Der Kläger ist der Ehemann der Beigeladenen zu 1), die eine Tochter des am 00.00.0000 geborenen Beigeladenen zu 2) ist. Dieser erhält vom Beklagten seit dem 01.11.2009 Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Hilfe zur Pflege in einer stationären Einrichtung nach dem SGB XII in Höhe von monatlich ca. 1.000,00 EUR (November 2009: 997,12 EUR einschließlich eines Barbetrages von 96,93 EUR). Durch bestandskräftigen Bescheid vom 06.11.2009 zeigte der Beklagte der Beigeladenen zu 1) die Überleitung eines (möglicherweise bestehenden) Unterhaltsanspruchs des Beigeladenen zu 2) gegen sie an und ersuchte die Beigeladene zu 1), Auskünfte über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen, u.a. durch Vorlage von Einkommensbescheinigungen der letzten zwölf Monate, des letzten Einkommensteuerbescheides und weiterer Beweisurkunden. Diesem Auskunftsersuchen kam die Beigeladene zu 1) nicht nach. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang eine Stufenklage gegen die Beigeladene zu 1) auf Auskunft und ggf. Zahlung beim Amtsgericht E. erhoben (23 F 188/10); in diesem Verfahren soll zur Klärung der Unterhaltspflicht Beweis erhoben werden; eine rechtskräftige Entscheidung ist noch nicht ergangen.
Durch Bescheid vom 10.06.2010, zugestellt am 11.06.2010, forderte der Beklagte auch den Kläger unter Hinweis auf § 17 Abs. 1 SGB XII zur Erteilung von Auskünften über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zur Klärung der Unterhaltsfähigkeit seiner Ehefrau, der Beigeladenen zu 1) auf; er sollte eine ausgefüllte Erklärung, die dem Aufforderungsbescheid beigefügt war, zurücksenden und die Einkommensbescheinigungen der letzten zwölf Monate, den letzten Einkommensteuerbescheid sowie Nachweise über ggf. zu zahlende Beiträge zur privaten Krankenversicherung und Altersvorsorge, über die Unterkunftskosten und über ggf. bestehende Schuldverpflichtungen vorlegen, des Weiteren - falls er selbstständig ist - die Gewinn- und Verlustrechnungen, Steuererklärungen und Steuerbescheide über die letzten 3 Jahre. Zur Vorlage der genannten Unterlagen setzte der Beklagte eine Frist von zwei Wochen nach Zugang des Bescheides. Zugleich ordnete er die sofortige Vollziehung gem. § 86a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter Hinweis auf das überwiegende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung an. Den dagegen am 12.07.2010 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28.07.2010 zurück.
Da der Kläger dem Auskunftsersuchen nicht innerhalb der im Bescheid vom 10.06.2010 gesetzten Frist nachkam, wiederholte der Beklagte durch Bescheid vom 25.06.2010 das Auskunftsersuchen, setzte eine Nachfrist von einer Woche und drohte für den Fall, dass dem Ersuchen nicht fristgerecht oder nicht ausreichend nachgekommen werde, ein Zwangsgeld von 250,00 EUR an. Den dagegen am 08.07.2010 eingele...