Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von Leistungen der Grundsicherung während einer von der Bundesagentur für Arbeit für einen behinderten Menschen geförderten Maßnahme der beruflichen Rehabilitation

 

Orientierungssatz

1. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB 2 bezweckt, dass über Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende keine zweite Ausbildungsförderung geschaffen wird. Eine Aufstockung anderer Ausbildungsbeihilfen soll ausgeschlossen werden. Die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §§ 97 ff. SGB 3 i. V. m. § 33 und §§ 44 ff. SGB 9 fällt nicht unter die Leistungen i. S. des § 7 Abs. 5 SGB 2, die zu einem Ausschluss bzw. zu einer Einschränkung von Leistungen nach dem SGB 2 führen.

2. Die Vorschriften über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §§ 97 ff. SGB 3, welche der Förderung behinderter Menschen zur Integration in das Arbeitsleben dienen, sind gegenüber der Berufsausbildungsförderung nach §§ 60 bis 62 SGB 3 speziellere Regelungen, welche diese allgemeinen Vorschriften verdrängen.

3. Infolgedessen sind dem behinderten Menschen neben einem von der Bundesagentur für Arbeit nach §§ 97 ff. SGB 3 i. V. m. § 33 und §§ 44 ff. SGB 9 während einer von dieser geförderten Ausbildung bewilligten Ausbildungsgeld Leistungen der Grundsicherung nicht als Darlehen, sondern als Zuschuss zu gewähren.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2010 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 29.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2010 verurteilt, dem Kläger im Zeitraum vom 20.01.2010 bis 31.10.2010 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nach Maßgabe des Gesetzes als Zuschuss zu bewilligen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob dem Kläger im Zeitraum von Januar bis Oktober 2010 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) als Darlehen oder als Zuschuss zu gewähren sind.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger steht seit längerem in Bezug von SGB II-Leistungen. Seit Februar 2008 ist für ihn eine Betreuerin bestellt, seitdem wohnt er in einer eigener Wohnung in E ... Ab Februar 2009 ist bei dem Kläger ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt. In der Zeit vom 29.04.2009 bis Mitte Juni 2009 hielt sich der Kläger bereits in einem Internat des Berufsförderungswerkes (Bfw) Köln der Diakonie Michaelshoven e.V. zur "erweiterten Abklärung der beruflichen Eignung" im Rahmen der beruflichen Rehabilitation auf. Für diese Zeit wurden ihm von der Bundesagentur für Arbeit Leistungen zur Teilhabe gemäß §§ 97 ff des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) i.V.m. § 33 und §§ 44 ff des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) bewilligt. Aufgrund des Internatsaufenthaltes erhielt der Kläger in den Monaten April bis Juni 2009 nur gekürzte Leistungen nach dem SGB II.

Auf den Fortbewilligungsantrag vom 28.08.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 01.09.2009 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Oktober 2009 bis März 2010. Dabei gewährte der Beklagte dem Kläger neben der Regelleistung in Höhe von 359,- EUR Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 295,- EUR unter Anrechnung des Kindergeldes in Höhe von 164,- EUR (abzüglich der Versicherungspauschale in Höhe von 30,- EUR), somit monatlich 520,- EUR. Für die Zeit vom 21.10.2009 bis zum 19.01.2010 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit erneut Leistungen nach §§ 97 ff SGB III i.V.m. § 33 und §§ 44 ff SGB IX einschließlich eines monatlichen Ausbildungsgeldes in Höhe von 102,- EUR (vgl. Bescheid vom 02.09.2009). Wochentags hält sich der Kläger stets in dem Internat des Bfw auf. Dort bewohnt er ein Ein-Zimmer-Appartement, zudem erhält er drei Mal am Tag Verpflegung sowie geringfügige Sachleistungen zum Lebensunterhalt. Mindestens an zwei Wochenenden im Monat und in den Ferien ist er aufgrund der Schließung des Internats auf seine Unterkunft in E. angewiesen. Aufgrund der Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, des zeitgleichen Aufenthalts des Klägers in dem Internat sowie der Stellung eines Antrags auf Gewährung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs. 4 SGB II änderte der Beklagte die Leistungen für den genannten Zeitraum mit Änderungsbescheid vom 29.09.2009 bzw. vom 23.11.2009 dahingehend ab, dass zum einen eine Kürzung der Regelleistung sowie eine Anrechnung des bewilligten Ausbildungsgeldes als Einkommen erfolgte und zum anderen ein Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 4 SGB II gewährt wurde. Mit Änderungsbescheid vom 15.12.2009 erfolgte eine Anpassung der Kürzung aufgrund eines längeren Aufenthalts des Klägers in seiner Wohnung in E ... Mit weiterem Änderungsbescheid vom 28.12.2009 erfolgte aufgrund der Erhöhung des Kindergeldes ab Januar 2010 eine Reduzierung der SGB II-Leistungen für die Zeit ab ...

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