Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss einer Versorgung des Hörbehinderten mit einem Festbetrags-Hörgerät
Orientierungssatz
1. Ist für eine Leistung der Krankenkasse ein Festbetrag festgesetzt, so erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht grundsätzlich mit dem Festbetrag. Die Krankenkasse übernimmt dann, wenn die Versorgung durch einen Vertragspartner erfolgt, den jeweils vertraglich vereinbarten Preis.
2. Die Leistungspflicht der Krankenkasse bei Hörhilfen beschränkt sich nicht auf die Versorgung mit eigenanteilsfrei angebotenen Hörhilfen.
3. Der Anspruch auf Hörgeräteversorgung ist ein Anspruch auf Optimalversorgung, nicht lediglich auf einen Basisausgleich. Die Krankenkasse ist zu einem möglichst vollständigen Behinderungsausgleich verpflichtet. Dieser muss einem hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen eröffnen. Dazu hat die Krankenkasse die nach dem Stand der Hörgerätetechnik jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen.
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 02.12.2009 und Aufhebung des Bescheides vom 31.05.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2010 verurteilt, dem Kläger weitere Kosten für die Versorgung mit dem Hörgerät Phonak Naida V SP in Höhe von 982,50 EUR zu erstatten.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Umfang des Anspruchs des Klägers auf Versorgung mit Hörgeräten; der Kläger beansprucht die Erstattung bzw. Übernahme von Mehrkosten in Höhe von 982,50 EUR.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Produktionsmitarbeiter in der Süßwarenindustrie. Er leidet an beidseitiger Schwerhörigkeit, die an Taubheit grenzt. Am 19.11.2009 verordnete der HNO-Arzt Dr. X. eine Hörhilfe. Diese legte der Kläger bei dem Hörakustikbetrieb H. in B. vor. Die Firma H. schickte am 25.11.2009 eine Versorgungsanzeige an die Beklagte.
Durch Bescheid (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) vom 02.12.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger einen Zuschuss zu der Hörgeräteversorgung in Höhe einer Pauschale von 638,40 EUR, davon für das Hörgerät inklusive Otoplastik 453,50 EUR, als Servicepauschale 194,90 EUR, abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung von 10,00 EUR. Sie wies daraufhin, dass sie mit dem Hörgeräteakustiker vertraglich vereinbart habe, dass er dem Kläger mindestens zwei eigenanteilsfreie Versorgungsangebote mit einem analogen oder digitalen Hörgerät unterbreitet, die geeignet sind, den festgestellten Hörverlust angemessen auszugleichen; dies gelte für alle Schwerhörigkeitsgrade. Die Beklagte bat den Kläger, sich vor der endgültigen Auswahl des Hörgerätes vom Hörgeräteakustiker ausführlich beraten zu lassen. Abschließend wies sie den Kläger daraufhin, dass die Mehrkosten einer Versorgung mit privatem Eigenanteil für ein Hörsystem und die Ohrpassstücke sowie die Mehrkosten für Reparatur- und Wartungsleistungen selbst zu übernehmen seien. Am selben Tag erging eine gleichlautende Mitteilung an die Firma H ...
In der Folgezeit schlug der Hörgeräteakustiker dem Kläger die folgenden Hörgeräte, gegebenenfalls mit Eigenanteilspreisen nach Abzug des mit der Krankenkasse vereinbarten Vertragspreises, vor: - Phonak Naida V SP 1.326,50 EUR - Siemens Centra SP 1.826,50 EUR - Oticon Sumo E 598,50 EUR - Audio Service Astral HP eigenanteilsfrei - Siemens Phönix 13 eigenanteilsfrei.
Die Hörgeräte wurden angepasst und miteinander verglichen; in Anpassberichten wurden die dabei erzielten Messergebnisse festgehalten. Dabei ergaben sich folgende Freifeldmesswerte: Hörgerät ohne Geräusch mit Geräusch ohne Hörgerät mit Hörgerät ohne Hörgerät mit Hörgerät Phonak Naida V SP 0 % 70 % 20 % 40 % Simens Centra SP 0 % 70 % 20 % 40 % Oticon Suno E 0 % 70 % 20 % 30 % Audio Service 0 % 60 % 20 % 30 % Siemens Phönix 13 0 % 60 % 20 % 30 %
Der Kläger entschied sich - auf Vorschlag der Firma H. vom 12.02.2010 - für das Hörgerät Phonak Naida V SP. Am 01.03.2010 bescheinigte Dr. X, dass durch dieses Hörgerät eine ausreichende Hörverbesserung erzielt werde. Am 03.03.2010 bestätigte der Kläger den Empfang des Hörsystems und gab zugleich folgende "Erklärung zu Mehrkosten" ab: Ich bin über das qualitativ hochwertige Angebot einer eigenanteilsfreien Versorgung (ohne Aufzahlung, ausgenommen der gesetzlichen Zuzahlung) informiert worden. Mit einer von mir zu leistenden höheren Vergütung bei einem Hörsystem mit privatem Eigenanteil (Hilfsmittelnummer, Seriennummer siehe oben) bin ich einverstanden. Ich bin darüber informiert worden, dass die aus der Mehrleistung bei einem Hörsystem mit privatem Eigenanteil resultierenden Reparaturmehrkosten damit zu meinen Lasten gehen und erkläre mich bereit, diese zu übernehmen. Die Versicherteninformation habe ich erhalten."
Am 10.12.2009/04.03.2010 beantragte der Kläger parallel bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland die Hörgeräteversorgung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Auch dort legte er die HNO-ärztl...