Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf Hörgeräteversorgung. Stand der Medizintechnik. bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder
Orientierungssatz
Der Anspruch auf Hörgeräteversorgung ist ein Anspruch auf Optimalversorgung, nicht lediglich auf einen Basisausgleich. Dem steht nicht entgegen, dass der so umrissene Anspruch im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 Abs 1 SGB 5 ua durch Festbetragsregelungen und Versorgungsverträge begrenzt ist. Diese stellen allerdings nur eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebotes dar, legitimieren aber nicht zu grundsätzlichen Einschnitten in den GKV-Leistungskatalog (vgl BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R = BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2).
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 13.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2009 verurteilt, den Kläger eigenanteilsfrei (mit Ausnahme der gesetzlichen Zuzahlung) beidseits mit Hörgeräten zu versorgen, die nach dem Stand der Hörgerätetechnik einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Hörverlustes - auch in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen - ermöglichen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt zwei Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Umfang des Anspruchs des Klägers auf Versorgung mit Hörgeräten.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist seit 2000 Rentner. Er leidet an beidseitiger Schwerhörigkeit (Sprachverstehen ohne Hörgerät: 55 %), die durch Hörgeräte ausgeglichen wird, zuletzt durch das Hörgerät "Widex Senso C 8". Im April 2009 nahm der Kläger an einer Hörtestaktion des Augenoptik- und Akustikbetriebes K teil. Dieser ist Mitglied der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (BIHA) und unterliegt dem "Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" (im Folgenden: Versorgungsvertrag), den die BIHA und die Rechtsvorgänger des Verbandes der Ersatzkassen (VdEK) geschlossen haben. Bei der Testaktion entschied sich der Kläger für das nach seinen Angaben vom Hörgeräteakustiker als optimal bezeichnete Hörgerät " Oticon Epoq XW BTE", das in der Hörtestaktion angeboten worden war.
Am 06.05.2009 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Hörgeräteversorgung. Er legte dazu eine Hörhilfeverordnung des HNO-Arztes Dr. C vom 29.04.2009 und einen Kostenvoranschlag der Firma K vom 25.04.2009 über 5.240,00 EUR (unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zuzahlung von 20,00 EUR) für beidseitige Hörgeräte "Oticon Epoq XW BTE" nebst Zubehör vor. Aus einer ebenfalls vorgelegten Dokumentation zur Hörgeräteanpassung ergab sich, dass der Hörgeräteakustiker lediglich Vergleichsmessungen mit dem bisherigen Hörgerät und dem Hörgerät "Oticon Epoq XW BTE" vorgenommen hatte, nicht aber mit anderen - eigenanteilsfreien - Hörgeräten. In einer Bescheinigung vom 29.04.2009 teilte Dr. C mit, die neue Hörgeräteversorgung sei erforderlich; der Kläger habe angegeben, dass er nur mit der vom Akustiker vorgeschlagenen Versorgung eine erhebliche Hörverbesserung sowie auch einen räumlichen Höreindruck erziele.
Durch Bescheid vom 13.05.2009 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für eine Hörgeräteversorgung oberhalb des Vertragspreises in Höhe von 1.212,80 EUR abzüglich 20,00 EUR gesetzlicher Zuzahlung ab. Sie behauptete, dieser Vertragspreis ermögliche die Auswahl eines Produktes ohne Eigenanteil, durch das eine ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und qualitative Versorgung möglich sei. Die Hörgeräteakustiker seien vertraglich verpflichtet, mindestens zwei Hörsysteme eigenanteilsfrei anzubieten, die dem aktuellen technischen Standard entsprächen und die geeignet seien, den individuellen Hörverlust ausreichend und zweckmäßig auszugleichen.
Dagegen legte der Kläger am 25.05.2009 Widerspruch ein. Er wies auf die Messergebnisse der Vergleichstestung hin; diesen sei zu entnehmen, dass die ausgewählten Geräte zu einer wesentlichen Hörverbesserung führten. Mit diesen Hörgeräten würde für ihn das Telefonieren wieder möglich werden; ohne die Geräte sei für ihn das Gehörte ein nicht zuzuordnendes Gemisch aus Geräuschen, von dem er nur einen Teil verstehen könne; die Teilnahme an Gesprächen mit mehreren Personen sei ihm ebensowenig möglich, wie eine Einzelunterhaltung bei vorhandenen Störgeräuschen. All dies sei ihm mit den versuchten Hörgeräten wieder möglich.
Am 20.07.2009 führte die Firma K beim Kläger eine Hörgeräteanpassung/-testung mit einem eigenanteilsfrei angebotenen Hörgerät "Oticon Swift 70" durch. Die dabei erzielten Werte ergaben keinen so weitgehenden Ausgleich des Hörverlustes wie mit dem Gerät "Oticon Epoq XW BTE".
Durch Bescheid vom 06.08.2009 wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid zurück. Sie vertrat die Auffassung, mit der Bewilligung der Versorgungspauschale nach dem Versorgungsvertrag habe sie ihren Leistungsanspruch erfüllt; die Leistungspflicht der Krankenkasse beschränke sich bei mehreren Alternativen grundsät...