Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Kostenübernahmeanspruch für chirurgische Beseitigung eines Hautlappenüberschusses am Bauch nach starker Gewichtsreduktion
Orientierungssatz
1. Ein durch starke Gewichtsreduktion entstandener Hautlappenüberschuss im Bauchbereich (sog. Fettschürze) stellt im Regelfall keine behandlungsbedürftige Krankheit dar und begründet deshalb auch gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse keinen Anspruch auf Kostenübernahme für eine Operation zur Entfernung des Hautlappens. Das gilt auch dann, wenn durch die Hautlappen Hautreizungen entstehen, jedenfalls solange diese dermatologisch behandelbar sind.
2. Einzelfall zur Beurteilung einer äußerlichen Entstellung im Brust- und Bauchbereich nach starker Gewichtsreduktion als Grund für die Kostenübernahme für eine Operation zur Hautlappenreduzierung (hier: äußerliche Entstellung verneint).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer operativen Brustkorrektur und Bauchdeckenstraffung.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin wog nach eigenen Angaben Ende 2001 ca. 130 kg bei einer Körpergröße von 1,70 m, das entsprach einem Body-Mass-Index (BMI) von 45,0. Am 27.08.2002 untersuchte Prof. Dr. O., Chefarzt der Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des St.-N.-O. S., die Klägerin. Er stellte ein Gewicht von 98 kg und eine Größe von 1,70 m (BMI: 33,9) fest; es bestehe eine ausgeprägte Bauchdeckenfalte und ausgeprägte hängende asymmetrische Brüste, rechts größer als links; die Klägerin fühle sich wegen ihrer Körperkontur in ihrem psychosozialen Umfeld sehr verunsichert. Dr. O. schlug eine Straffung der Brüste, ggf. eine Implantation einer Prothese, und eine Bauchdeckenstraffung mit einer Liposuktion vor. Von Februar bis August 2003 und erneut ab April 2005 befand sich die Klägerin in psychiatrischer Behandlung bei Frau Dr. I. wegen Essstörung und Anpassungsstörung. In einem Attest vom 25.04.2005 bescheinigte Dr. I., die Klägerin leide seit ihrer Gewichtsabnahme massiv unter der Erschlaffung ihrer Haut sowie der unterschiedlichen Größe ihrer Mammae; um weiteren seelischen Belastungen vorzubeugen, empfahl Dr. I. von ihrem Fachgebiet her eine operative Veränderung (Mammae-Korrektur). Am 18.11.2008 untersuchte Dr. O. die Klägerin erneut; er diagnostizierte einen Zustand nach erheblicher Gewichtsreduktion von 130 kg auf 95 kg; er empfahl, nach weiterer Gewichtsreduktion auf 85 - 90 kg eine Bauchdeckenstraffung und einen Ausgleich der Brustasymmetrie operativ durchzuführen.
Am 05.12.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die empfohlenen Operationen bei Dr. O. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dr. P. stellte im Gutachten vom 15.01.2009 nach Untersuchung der Klägerin ein Gewicht von 103,5 kg und eine Größe von 1,70 m (BMI: 35,8) fest. Er kam zum Ergebnis, die Brustasymmetrie sei nur unbekleidet erkennbar. Die Operationen seien nicht indiziert.
Am 15.01.2009 führte Dr. O. auf Kosten der Klägerin eine operative Straffung der Oberarme sowie der Achsel und eine leichte Unterpolsterung der seitlichen Brustdrüse durch; diese chirurgischen Maßnahmen sind nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Gestützt auf das MDK-Gutachten lehnte die Beklagte die beantragte Bauchdeckenstraffung und Brustkorrektur durch Bescheid vom 03.02.2009 ab mit der Begründung, es handele sich hierbei nicht um eine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Dagegen legte die Klägerin am 09.03.2009 Widerspruch ein. Sie trug vor, sie sei durch die Brustasymmetrie und die erhebliche Gewichtsreduktion erheblich beeinträchtigt; sie leide unter Ess- und Anpassungsstörungen; die Operationen seien ihr zur Vorbeugung seelischer Belastungen ärztlich empfohlen worden.
Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung einer ergänzenden MDK-Stellungnahme durch Widerspruchsbescheid vom 09.09.2009 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 08.10.2009 Klage erhoben. Sie weist darauf hin, 140 kg gewogen und ihr Gewicht um 40 kg reduziert zu haben; die schlaffe Bauchhaut und die ungleich großen Brüste verursachten erhebliche psychische Beschwerden. Hinzu komme, dass im Bereich der Bauchfalten sehr oft Pilzerkrankungen aufträten. Deshalb seien nach Ansicht der Klägerin die empfohlenen Operationen notwendig.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.02.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2009 zu verurteilen, ihr eine operative Korrektur der linken Brust und eine Bauchdeckenstraffung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung.
Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht von Dr. O. ärztliche Unterlagen beigezogen und einen Befundbericht vom 23.03.2010 eingeholt. Auf Anforderung des Gerichts hat di...