Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Versicherungspflicht. Vorstandsmitglied einer Vorgesellschaft. Aktiengesellschaft

 

Orientierungssatz

Zur Rentenversicherungspflicht von Vorstandsmitgliedern einer Vorgesellschaft, die noch nicht im Handelsregister als Aktiengesellschaft eingetragen war.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.08.2006; Aktenzeichen B 12 KR 24/05 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1); im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Die Sprungrevision zum BSG wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Klage vom 19.08.2004 gegen den Bescheid der Beklagten vom 26.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2004 fordert der Kläger die Beendigung der Rentenversicherungspflicht seiner Sachbearbeitertätigkeit bei der Beigeladenen 1) aufgrund seiner Vorstands-Mitgliedschaft bei der am 06.11.2003 gegründeten und errichteten H Vermögensverwaltung AG (HV), die nach Umbenennung in O Vermögensverwaltung AG (OV) am 22.10.2004 als solche am 02.12.2004 in das Handelsregister eingetragen worden ist; streitig ist, ob der Kläger als Vorstands-Mitglied einer sog. Vor-AG bereits "Mitglied des Vorstandes einer Aktiengesellschaft" im Sinne des § 1 S. 4 des Sozialgesetzbuches - 6. Buch/Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI - idF bis zum 31.12.2003 - und des, ab 01.01.2004 als Übergangsregelung - mit Stichtag: 06.11.2003 - in das SGB VI eingefügten § 229 Abs. 1 a S. 1 SGB VI ist.

Die Gründer der HV und Aktienübernehmer sind die Versicherungsmakler H und H K. Sie haben durch notariell beurkundeten Vertrag vom 06.11.2003 die AG gegründet und einen Aufsichtsrat bestellt; der Aufsichtsrat hat mit Beschluss vom 06.11.2003 vier, bislang rentenversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer zu Vorstandsmitgliedern bestellt, ohne eine diesbezügliche Vergütungsregelung zu treffen.

Die Beigeladene 1) beantragte am 01.03.2004 bei der Beklagten eine Entscheidung nach § 28 h Abs. 2 des Sozialgesetzbuches - 4. Buch/Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV - über die Rentenversicherungspflicht des Klägers. Nach Einholung der Auskunft der Beigeladenen 2) vom 03.05.2004, in der diese einen Vertrauensschutz des Klägers nach § 229 a Abs. 1 SGB VI verneinte, stellte die Beklagte mit den oben genannten Bescheiden die über den 05.11.2003 hinaus fortbestehende Rentenversicherungspflicht des Klägers aufgrund seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen 1) fest; er habe als Vorstandsmitglied der HV/OV keine herausragende und starke wirtschaftliche Stellung, die es rechtfertigte, ihn für eine daneben ausgeübte Beschäftigung von der Rentenversicherungspflicht zu befreien; die HV sei zur Umgehung der Rentenversicherungspflicht gegründet worden.

Der Kläger hält seine Anfechtungs- und Feststellungsklage für begründet. Er bezieht sich auf die BSG-Rechtsprechung zu der alten, bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung des § 1 S. 4 SGB VI. Er sei ab dem 06.11.2003 als Vorstandsmitglied rentenversicherungsfrei, denn die AG sei ab diesem Tag als sog. Vor-AG existent, insbesondere namens- und firmenrechtsfähig, passiv parteifähig sowie wechsel-, scheck- und konkursfähig. Entsprechend der sog. Identitätslehre seien Vor-AG und AG identisch.

Dementsprechend hätten das SG Augsburg (Urt. v. 09.05.05 - S 10 KR 89/04 -) und das SG Mainz (Urt. v. 18.10.04 - S 7 KR 236/04 -) die Vorstandsmitgliedschaft bei einer, gemäß § 29 Aktiengesetz "errichteten" AG als ausreichend angesehen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2004 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger seit dem 06.11.2003 für alle jetzt und in Zukunft bestehenden nicht selbstständigen Beschäftigungen für die Dauer seiner Vorstandstätigkeit innerhalb der O Vermögensverwaltung AG (vormals H Vermögensverwaltung AG) nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf den Inhalt der von ihr erteilten Bescheide. Sie sieht sich in ihrer Rechtsauffassung durch das Urteil des SG Frankfurt v. 01.12.2004 - S 20 KR 2746/04 - und den Beschluss des HessLSG vom 17.06.2005 - L 8 KR 14/05 - sowie die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen des SG Aachen Beschl. v. 26.11.2004 - S 6 KR 195/04 ER - und LSG NW Beschl. v. 18.07.2005 - L 16 B 1/05 KR ER - bestätigt.

Die Beigeladene 1) stellt keinen Klageantrag.

Sie trägt vor, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise auf die Rechtsform der Gesellschaft abzustellen sei. Es liege eine mißbräuchliche rechtliche Gestaltungsform vor. Es liege bislang noch keine BSG-Rechtsprechung für den Fall einer mißbräuchlichen Rechtsanwendung vor, bei dem aus der Vorstandstätigkeit kein oder nur ein vergleichbar sehr geringes Einkommen bezogen werde.

Die ordnungsgemäß geladene Beigeladene 2) hat den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen. Sie hat auch schriftsät...

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