Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Versicherungspflicht. Vorstandsmitglied einer AG. Vertrauensschutzregelung des § 229 Abs 1a SGB 6

 

Orientierungssatz

1. Die Regelung des § 1 S 4 SGB 6 betrifft - sowohl in seiner alten als auch in seiner neuen Fassung - "Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft". Voraussetzung ist dabei nicht nur die Vorstandsbestellung, sondern auch das Bestehen einer AG (vgl ua LSG Darmstadt vom 17.6.2005 - L 8 KR 14/05).

2. Die Vertrauensschutzregelung des § 229 Abs 1a SGB 6 betrifft ausschließlich solche Personen, die am 6.11.2003 "Mitglieder des Vorstandes einer eingetragenen Aktiengesellschaft" waren.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger ab dem 06.11.2003 weiterhin rentenversicherungspflichtig ist.

Der ... 1966 geborene Kläger ist seit 01.09.2001 bei der Beigeladenen zu 1) als Installateur beschäftigt. Aus dieser Tätigkeit werden laufend Rentenversicherungsbeiträge an die Beigeladene zu 2) gezahlt.

Am 06.11.2003 errichteten H und H K vor dem Notar B in M/R eine Aktiengesellschaft (AG) unter dem Namen "J u. H Vermögensverwaltung AG". Von dem Grundkapital in Höhe von 50.000 € übernahmen die beiden Gründer jeweils die Hälfte der Stückaktien. Zum Aufsichtsrat der AG wurden H K, H K und D S bestellt. Dieser Aufsichtsrat bestellte am 06.11.2003 den Kläger und C H zu Vorstandsmitgliedern der AG, und zwar den Kläger zum Vorsitzenden, C H zum stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes.

Am 27.01.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung der Freistellung von der Rentenzahlungspflicht.

Durch Bescheid vom 30.03.2004 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger auch ab 05.11.2003 weiterhin in seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) rentenversicherungspflichtig beschäftigt ist. Sie verwies auf die Vorschrift des § 1 Satz 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31.12.2003 und ab 01.01.2004 geltenden Fassung zum Bestehen bzw. Nichtbestehen der Versicherungspflicht von Mitgliedern des Vorstandes einer AG und der zu der Neufassung ergangenen Vertrauensschutzregelung in § 229 Abs. 1a SGB VI. Nach der zuletzt genannten Vorschrift bleiben Mitglieder des Vorstandes einer AG, die am 06.11.2003 in einer weiteren Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit nicht rentenversicherungspflichtig waren, in dieser Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit nicht rentenversicherungspflichtig. Die Beklagte meinte, der Kläger habe keinen Vertrauensschutz nach dieser Stichtagsregelung, da die "J u. H Vermögensverwaltung AG" zum Zwecke der Umgehung der Rentenversicherungspflicht rechtsmissbräuchlich gegründet worden sei. Unabhängig davon bestehe die Rentenversicherungspflicht für die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) auch deshalb weiter, weil mangels Eintragung in das Handelsregister eine Aktiengesellschaft als solche noch nicht bestehe; diese Eintragung hätte bis spätestens 06.11.2003 erfolgen müssen.

Dagegen legte der Kläger am 08.04.2004 Widerspruch ein. Er nahm Bezug auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.03.1980 (12 RAr 1/79), 31.05.1989 (4 RA 22/88), 26.03.1992 (11 RAr 15/91) und 19.06.2001 (B 12 KR 44/00 R). Er meinte, nach dieser Rechtsprechung und der Regelung in § 229 Abs. 1a SGB VI bestehe für Mitglieder des Vorstandes einer AG, die bereits am 06.11.2003 zum Vorstand bestellt waren, Vertrauensschutz insoweit, als sie weiterhin von der Versicherungspflicht ausgenommen blieben. Diese Vertrauensschutzregelung gelte auch für ihn. Dem stehe nicht entgegen, dass die AG am 06.11.2003 noch nicht eingetragen gewesen sei, denn die später erwirkte Eintragung wirke auf den Zeitpunkt der Antragstellung bzw. Gründung der AG zurück.

Am 04.08.2005 wurde die "J u. H Vermögensverwaltung AG" in das Handelsregister beim Amtsgericht Aachen (HRB ...) eingetragen.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 18.10.2005 zurück.

Zur Begründung führte sie ergänzend aus, vier Punkte sprächen im Fall des Klägers für eine Umgehung der Rentenversicherungspflicht:

-

die Überbesetzung der Vorstandsebene; die Aktiengesellschaft beschäftige derzeit keine Mitarbeiter;

-

die fehlende Zahlung von Bezügen für die Vorstandstätigkeit;

-

der zeitliche Ablauf der Gründung der AG und die Benennung als Vorstandsmitglieder am 06.11.2003;

-

die fehlende Eintragung im Handelsregister bis spätestens 06.11.2003.

Dagegen hat der Kläger am 16.11.2005 Klage erhoben. Er verweist auf das in einem Parallelverfahren S 6 KR 269/04 ergangene (klageabweisende) Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 05.09.2005 und die dagegen eingelegte Sprungrevision zum BSG, die dort unter dem Az. B 12 KR 24/05 R geführt werde. Es lägen divergierende Entscheidungen verschiedener Sozialgerichte vor.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

den Bescheid der Beklagten vom 30.03.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2005 aufzuheben und festzustellen, dass er seit dem 06.11.2003 für alle jetzt und in Zukunft bestehenden nicht selbständigen Beschäfti...

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