Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Auskunftserteilung und Erstattung der Krankenkasse gegenüber dem Leistungserbringer im Wege der Stufenklage
Orientierungssatz
1. Im Wege der Stufenklage kann die Krankenkasse vom Leistungserbringer zunächst Auskunft durch Vorlage von Kunden- und Abrechnungsunterlagen und sodann Erstattung ggfs. überzahlter Rechnungsbeträge verlangen. Der in seiner Höhe noch nicht feststehende Rückzahlungsanspruch darf bis zur Entscheidung über den Auskunftsanspruch unbeziffert bleiben.
2. Der Krankenkasse ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ein Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass sie in entschuldbarer Weise über den Umfang ihres Rechtes im Ungewissen ist und der Leistungserbringer in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen.
3. Als Fallkonstellationen, die ein Auskunftsbegehren auslösen, kommen in Betracht: die abgerechnete Leistung wurde tatsächlich nicht geliefert; es wurde eine andere, kostengünstigere Leistung an den Versicherten abgegeben; es wurde eine teuerere Leistung abgerechnet als geliefert; es wurde eine Leistung abgerechnet, die keine Kassenleistung ist; es wurde eine Leistung abgerechnet, deren Voraussetzungen auf dem Berechtigungsschein falsch angegeben war.
4. Der Erteilung der Auskünfte und der Vorlage der Unterlagen stehen keine datenschutzrechtlichen Gründe entgegen. Das Recht der Krankenkasse zur Datenerhebung ergibt sich aus § 67 a Nr. 2 b SGB 10.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet, Auskunft zu erteilen über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen die Beklagte im Abrechnungszeitraum 01.01.2001 bis 31.12.2003 Leistungen über Berechtigungsscheine sowie aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen für Versicherte der Techniker Krankenkasse (TK), der Barmer Ersatzkasse (Barmer) und der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) abgerechnet hat, durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der betreffenden Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen, in denen zu den nachstehend aufgelisteten - nach Name und Geburtsdatum der Versicherten, Ausstellungsdatum der Verordnung (VO) oder des Berechtigungsscheins (BS) und der zuständigen Krankenkasse spezifizierten - Sehhilfenversorgungen folgende Angaben enthalten sind: - Befundwerte, (Fern- und Nahbereich; rechts und links; sphärisch, Zylinder; Achse; Prisma) inklusive Refraktionsprotokoll, - Grund der Abgabe der Sehhilfe, - Art und Umfang der erbrachten Leistung inklusive Fassungs- und Glashersteller, - die mit dem Versicherten abgerechnete Leistung, - Datum der Bestellung der Sehhilfe beim Lieferanten, sowie (aus dem jeweiligen Lieferschein des Lieferanten): - genaue Bezeichnung des gelieferten Artikels nach Artikelnummer, Artikelbezeichnung und Material, - technische Spezifizierungen und Werte des Artikels, wie z.B. Radien-Brechwert-Zylinder, Achse oder Durchmesser, - Anzahl der jeweils gelieferten Artikel.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu zwei Dritteln, die Beklagte zu einem Drittel.
Der Streitwert wird auf 16.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die klagende Techniker Krankenkasse (TK) begehrt von der Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über Leistungs- und Abrechnungsvorgänge des Versorgungszeitraums 2001 bis 2003 (1. Stufe) und die Erstattung gegebenenfalls überzahlter Rechnungsbeträge (2. Stufe).
Die Gesellschafter der Beklagten sind Augenoptiker. Sie versorgten in den Jahren 2001 bis 2003 krankenversicherte Mitglieder der Klägerin und acht weiterer gesetzlicher Krankenkassen (Ersatzkassen) - Barmer Ersatzkasse (Barmer), Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK), Gmünder Ersatzkasse (GEK), Hamburgische Zimmerkrankenkasse (HZK) die Profikrankenkasse, Hamburg Münchener Krankenkasse (HMK), Handelskrankenkasse (HKK), Hanseatische Krankenkasse (HEK), Kaufmännische Krankenkasse (KKH) - mit Sehhilfen. Die HZK die Profikrankenkasse ist seit 01.07.2008 mit der GEK unter deren Namen vereinigt. Grundlage der Versorgung war (u.a.) der gemäß § 127 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vom 01.07.1994 bis 31.12.2003 geltende Vertrag zwischen dem Zentralverband der Augenoptiker (ZVA), dessen Mitglied der Beklagte ist, einerseits und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK)/Arbeiterersatzkassen-Verband (AEV) andererseits; VdAK und AEV sind seit 01.01.2009 im Verband der Ersatzkassen (VdEK), dessen Mitglied die Klägerin und die weiteren Ersatzkassen sind, zusammengeschlossen. In § 1 Abs. 2 des Vertrages war geregelt, dass die Vertragsleistungen entweder aufgrund vertragsärztlicher Verordnung oder aufgrund von Berechtigungsscheinen nach Maßgabe der Anlagen 1 und 2 abgerechnet werden konnten. Berechtigungsscheine stellten die Ersatzkassen ihren Versicherten auf Anforderung zur Verfügung; für die darauf bezogenen Leistungen war eine vertragsärz...