Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres. Rentenabschlag. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Auch Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden, sind mit einem Abschlag zu versehen (Entgegen BSG vom 16.5.2006 - B 4 RA 22/05 R = SozR 4-2600 § 77 Nr 3).
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger erstrebt eine höhere Erwerbsminderungsrente.
Der am 00.00.1952 geborene Kläger ist gelernter H, zuletzt arbeitete er bis März 2004 als D bei der Firma X L. Am 05.04.2005 beantragte er Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Einholung einer Auskunft der Arbeitgeberin über die berufliche Tätigkeit des Klägers und Durchführung medizinischer Ermittlungen bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 09.06.2005 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.07.2004. Sie erkannte im Versicherungsverlauf 96 Monate Zurechnungszeit vom 18.02.2004 bis zum 10.02.2012 an. Die Beklagte verminderte den Zugangsfaktor von 1,0 für jeden Kalendermonat nach dem 29.02.2012 bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003. Die Beklagte errechnete damit für 36 Kalendermonate eine Verminderung von 0,108, so dass sie die sich aus dem Versicherungsverlauf ergebenden persönlichen Entgeltpunkte von 50,2611 mit 0,892 multiplizierte und der Rentenberechnung 44,8329 Entgeltpunkte zugrunde legte. Im Widerspruchsverfahren begehrte der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung. Diese bewilligte die Beklagte nach Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen mit Bescheid vom 18.05.2006 für die Zeit vom 01.09.2004 bis zum 31.08.2007. Auch dieser Rente legte die Beklagte die genannte Zurechnungszeit sowie den geminderten Zugangsfaktor zugrunde. Der Kläger hielt den Widerspruch aufrecht, denn er begehrte Dauerrente anstelle der bewilligten Rente auf Zeit. Außerdem hielt er unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 - die Minderung des Zugangsfaktors auf einen Wert unterhalb 1,0 für rechtswidrig. Mit Bescheid vom 14.09.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie begründete die Bewilligung der Zeitrente und ging auf das Begehren des Klägers hinsichtlich des ungeminderten Zugangsfaktors nicht ein.
Mit der am 02.10.2006 erhobenen Klage begehrt der Kläger zuletzt noch die ungekürzte Rentenbewilligung. Er beruft sich auf die genannte Entscheidung des BSG.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 09.06.2005 und 18.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Rente unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist nicht bereit, der Entscheidung des BSG zu folgen. Dies begründet sie wie folgt: "In dem Urteil wird eine völlig neue und in der Intention des Gesetzgebers entgegengesetzte Sichtweise formuliert. Aus der Begründung zu dem Gesetz, mit dem die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten eingeführt wurden, ergibt sich dass die Höhe der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente für schwerbehinderte Menschen anzugleichen ist. Danach wird die Rente wegen Erwerbsminderung für jeden Monat des Rentenbeginns vor dem 63. Lebensjahr um 0,3 %, höchstens jedoch um 10,8 % gemindert. Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass auch die Erwerbsminderungsrenten mit einem Abschlag zu versehen sind, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden. Außerdem hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung zum 01. Januar 2001 parallel zur Einführung der Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten auch eine Zurechnungszeit eingeführt. Diese Verlängerung diente gerade der Abfederung der Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden. Auch werden in der Gesetzesbegründung die konkreten Auswirkungen der Abschläge auf die Rentenhöhe bei Personen dargestellt, bei denen der Eintritt der Erwerbsminderung vor Vollendung des 60. Lebensjahres erfolgt. Auch dies macht die Intention des Gesetzgebers ganz deutlich. Die deutsche Rentenversicherung insgesamt folgt deshalb dem o. g. Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht. Eine Neuberechnung der Rente ohne Abschläge kommt daher nicht in Betracht."
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässig auf die Rentenhöhe beschränkte Klage ist zulässig, nicht aber begründet. Die angefochtene Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte mit einem auf 0,892 geminderten Zugangsfaktor ist nicht rechtswidrig i. S. d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat k...