Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen der Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter. kein Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bei Erkrankungen, die eine Gewichtsreduktion und deshalb keine spezielle Kost erfordern. Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 01.10.2008 als antizipiertes Sachverständigengutachten

 

Orientierungssatz

1. Nach § 30 Abs. 5 SGB 12 wird für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder eine Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

2. Die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierten Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen können für die Entscheidung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung besteht, herangezogen werden. Sie können in der Fassung der Empfehlungen 2008 als "antizipiertes Sachverständigengutachten" angesehen werden (LSG NRW, Urteil vom 24.03.2010 - L 12 SO 15/09)

3. Ein Anspruch auf den Mehrbedarf besteht nicht, sofern die vorliegenden Erkrankungen eine Gewichtsreduktion erfordern oder durch ein solche günstig beeinflusst werden können und deshalb eine Vollkosternährung angezeigt ist.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung hat und deshalb für die Zeit vom 01.07.2009 bis 30.06.2010 zusätzliche Sozialhilfe in Höhe von 456,00 EUR beanspruchen kann.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist als Schwerbehinderter anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 50. Er leidet u.a. an - arteriellem Bluthochdruck (Hypertonie), - koronarer Herzkrankheit, - chronischer Emphysembronchitis bei Nikotinkonsum, - wiederkehrenden Oberbauchbeschwerden und Verdauungsstörungen bei Schleimhautentzündungen der Speiseröhre und des Magens, Colondivertikulose und Polypen im Dickdarm, Refluxsophagitis (GERD = Gastro Esophageal Reflux disease), - Übergewicht (Adipositas Grad I), - Fettstoffwechselstörung (Hypercholesterinämie), - wiederkehrenden LWS-Beschwerden. Er erhält von der Deutschen Rentenversicherung Bund seit 01.10.2006 Regelaltersrente und bezieht von dem Beklagten seit 01.09.2006 (ergänzende) Leistungen der Grundsicherung (GSi) im Alter nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Für die Zeit vom 01.09.2006 bis 30.06.2009 berücksichtigte der Beklagte dabei aufgrund ärztlicher Bescheinigungen der behandelnden Ärzte des Klägers einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 38,00 EUR.

Am 18.05.2009 beantragte der Kläger GSi-Leistungen für den Bewilligungszeitraum Juli 2009 bis Juni 2010. Bezüglich eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung bezog er sich auf die vorliegenden Nachweise.

Durch Bescheid vom 30.06.2009 bewilligte der Beklagte GSi vom 01.07.2009 bis 30.06.2010, jedoch ohne einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung.

Dagegen legte der Kläger am 23.07.2009 Widerspruch ein. Er vertrat die Auffassung, da sich sein Krankheitsbild nicht verändert habe, könne er weiterhin Zusatzleistungen wegen besonderer Ernährung erhalten. Der Internist Dr. T. teilte in einer ärztlichen Bescheinigung vom 05.08.2009 mit, der Kläger bedürfe wegen koronarer Herzkrankheit, Reizdarmsyndrom bei Colondivertikulose, Hypercholesterinämie und GERD einer mit deutlichen Mehrkosten verbunden Krankenkost, da eine Vollkost nicht ausreiche.

Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 02.12.2009 zurück. Er stützte sich dabei auf eine Stellungnahme des Gesundheitsamtsarztes Dr. A. vom 24.08.2009, wonach das Krankheitsbild des Klägers nach den geänderten Richtlinien keinen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung begründe. Der Beklagte wies hierzu auf die neuen ab 01.10.2008 geltenden Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V., nach denen für die beim Kläger vorliegenden Krankheitsbilder Vollkost bzw. Reduktionskost ohne Verursachung von Mehrkosten angezeigt und ausreichend seien.

Dagegen hat der Kläger am 02.12.2009 Klage erhoben. Er bleibt bei seiner Auffassung, dass wegen der bei ihm bestehenden Krankheiten weiterhin ein Mehrbedarf bei der Ernährung bestehe. Der Kläger behauptet, auch kalorienreduzierte Kost sei aus Sozialhilfemitteln nicht zu finanzieren; es könne als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden, dass kalorienreduzierte Kost mehr koste als gewöhnliche Lebensmittel. Der Kläger meint, die Empfehlungen des Deutschen Vereins seien kein antizipiertes Sachverständigengutachten.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 30.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2009 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.07.2009 bis 30.06.2010 Leistungen wegen Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 38,00 EUR, insgesamt 456,00 EU...

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