Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung: Besetzung einer Arztstelle in einem Medizinischen Versorgungszentrum. Nachbesetzung einer Stelle mit einem Viertel Stellenanteil. Genehmigungspflicht einer vertraglichen Änderung des Zeitumfangs einer genehmigten Stelle. Zulässigkeit der Einziehung einer Stelle mit einem Viertel Stellenanteil wegen vorübergehender Nichtausübung

 

Orientierungssatz

1. Die zeitliche Ausgestaltung der Tätigkeit eines Arztes in einem Medizinischen Versorgungszentrum ist nicht für sich genehmigungspflichtig, weshalb nach einer erfolgten Genehmigung der Anstellung das Medizinische Versorgungszentrum mit dem Arzt eine Änderung der Arbeitszeit im Rahmen der genehmigten Stelle vereinbaren kann. Das gilt auch dann, wenn durch eine Änderung der Arbeitszeit der zeitliche Rahmen der erteilten Zulassung vorübergehend überschritten wird. In diesem Fall sind die Arbeitszeitanteile der beschäftigten Ärzte jedoch der Zulassungsbehörde mitzuteilen.

2. Einem Medizinischen Versorgungszentrum kann eine genehmigte Arztstelle mit einem Umfang von einem Viertel Stellenanteil auch bei (vorübergehender) Nichtausübung der betroffenen Stelle nicht allein wegen dieser Nichtausübung entzogen werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.10.2011; Aktenzeichen B 6 KA 23/11 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 16.04.2009 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das Nachbesetzungsrecht der Klägerin hinsichtlich der vom angefochtenen Beschluss betroffenen 1/4-Stelle nicht erloschen ist.

3. Der Beklagte und die Beigeladene zu 5) tragen die Kosten je zur Hälfte.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin eine ¼-Kinderarztstelle nachbesetzen darf.

Die Klägerin ist seit dem 1.4.2005 als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie stellte anfangs mit Genehmigung des zuständigen Zulassungsausschusses einen Facharzt für Radiologie und eine Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin (Dr. K.) an. Seit 1.1.2007 ist zusätzlich mit Genehmigung des Zulassungsausschusses eine Hausärztin (zunächst Allgemeinärztin, ab 3.5.2007 Hausarztinternistin) beschäftigt. Alle drei Stellen waren zunächst Vollzeitstellen.

Bei der Besetzung der Kinderarztstelle gab es mehrfach Veränderungen:

- Dr. K. ging im August 2005 auf eine Halbtagstätigkeit zurück. Der Klägerin wurde am 21.9.2005 die zusätzliche Anstellung der Kinder- und Jugendärztin Dr. N.-L. für halbe Tage genehmigt, - Dr. K. gab ihre Halbtagstätigkeit auf; der Zulassungsausschuss erklärte ihre Anstellung für beendet und genehmigte stattdessen die Anstellung der Kinder- und Jugendärztin Dr. I. für halbe Tage (Beschluss v. 14.12.2005), - auf die Mitteilung der Klägerin vom 6.7.2006 hin, dass Dr. I. ausgeschieden sei und Dr. K. die "weiterhin tätige" Dr. N.-L. künftig mit acht Wochenstunden "unterstütze", wurde die Genehmigung der Tätigkeit von Dr. I. antragsgemäß zum 28.2.2006 mit Beschluss des Zulassungsausschusses v. 26.7.2006 beendet und stattdessen eine Genehmigung zur erneuten Anstellung von Dr. K. ab 1.8.2006 "halbtags 8 Stunden pro Woche" erteilt. Der Zulassungsausschuss änderte den Genehmigungsumfang mit Beschluss v. 18.10.2006 in "Teilzeit, 8 Stunden pro Woche" ab.

Die Beklagte beantragte am 12.6.2007 die Genehmigung der Anstellung der Beigeladenen zu 7.), Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, halbtags mit acht Wochenstunden ab dem 3. Quartal 2007. Dies lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte L. ab (Beschluss v. 7.11.2007). Zur Begründung führte er aus, in analoger Anwendung der Vorschrift des § 95 Abs. 1 S. 6 SGB V sei die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in einem Med. Versorgungszentrum durch einen Angestellten nach Ablauf von 6 Monaten nicht mehr möglich. Dieser Zeitraum entspreche im Übrigen der ständigen Verwaltungspraxis im Zusammenhang mit Ausschreibungsverfahren. Da die Kinderarztstelle mit 0,25 bereits seit dem 01.03.2006 vakant sei und vom MVZ innerhalb eines halben Jahres nicht besetzt worden sei, habe dem Antrag nicht stattgegeben werden können.

Die Klägerin widersprach. Eine Vakanz habe es nicht gegeben, denn die von Dr. K. nicht übernommene ¼-Stelle von Dr. I. sei durch Aufstockung der Tätigkeit von Dr. N.-L. ausgeglichen worden. Die Klägerin legte mit Dr. N.-L. geschlossene Änderungsverträge vom 3.3.2006, 6.7.2006 und 20.8.2007 vor, wonach diese vom 1.2. bis 14.5.2006 vollzeit-, ab 15.5.2006 bis 20.8.2007 teilzeit- (35 Std.) und danach teilzeitbeschäftigt (27 Std.) beschäftigt werde.

Der Beklagte wies den Widerspruch zurück (Beschluss und Bescheid v. 16.4.2008). Die für die Anstellung der Beigeladenen zu 7.) erforderliche Arztstelle stehe nicht mehr zur Verfügung. Zur Begründung führte er aus: "Die Vorschrift des § 103 Abs. 4 a S. 5 SGB V, wonach Med. Versorgungszentren die Nachbesetzung einer Arztstelle möglich ist, auch wenn - wie hier - Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, enthält zwar keine Befristung. Das kann jedoch nicht bedeuten, dass eine Nachbesetzung ohne jede zeitliche Einschränkung möglich ist. Die ...

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