Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertrauensschutz des Krankenhausträgers bei von der Krankenkasse gezahlten Aufwandspauschalen

 

Orientierungssatz

1. Sobald der Sozialmedizinische Dienst der Krankenkassen bei der Überprüfung einer Vergütungsabrechnung des Krankenhauses von der Krankenkasse in die Überprüfung einbezogen wird, findet § 275 Abs. 1c SGB 5 Anwendung. Führen Datenerhebung und Prüfung der Krankenhausrechnung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags, so ist die Krankenkasse nach § 275 Abs. 1c S. 3 SGB 5 zur Aufwandspauschale in Höhe von 300.- €. verpflichtet.

2. Dies gilt sowohl für Auffälligkeitsprüfungen als auch für die Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit.

3. Hat die Krankenkasse in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle die jeweilige Aufwandspauschale gezahlt, so ist hierdurch bei dem Krankenhausträger ein Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit und das Behaltendürfen der Aufwandspauschale geschaffen worden. Die Änderung der Rechtsprechung durch das BSG begründet keinen in die Vergangenheit zurückreichenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird auf 8.700,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung von in 29 Krankenhausbehandlungsfällen gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gezahlten Aufwandspauschalen á 300,00 EUR, insgesamt 8.700,00 EUR hat.

Die Beklagte betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort behandelte sie in den Jahren 2011 und 2012 auch 28 Versicherte der Klägerin, die diese im Klageverfahren benannt hat, davon eine Versicherte zweimal. Die Beklagte übermittelte der Klägerin für jeden der 29 Fälle eine Vergütungsrechnung nebst den erforderlichen Daten gemäß § 301 SGB V. &61485; In allen streitbefangenen 29 Fällen beauftragte die Klägerin ihren Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit der Prüfung der jeweiligen Behandlung. Der SMD zeigte der Beklagten den jeweiligen Prüfauftrag an. &61485; In allen streitbefangenen 29 Fällen erhob der SMD im Rahmen der erteilten Prüfaufträge bei der Beklagten weitere - über diejenigen nach § 301 SGB V hinausgehende - Daten, indem er diverse medizinische Unterlagen von der Beklagten beizog; dies waren - je nach Prüfbedarf - z.B. Einweisungsscheine, Krankenhausentlassungsberichte, Anamnesebögen, Aufnahmebefunde, Übersichtskurven/Verlaufsdokumentationen, Pflegeberichte, Operationsberichte/ histologische Befunde, mikrobiologische Befunde, Beatmungsprotokolle, Laborbefunde, Befundberichte, Fieberkurven. &61485; In allen 29 streitbefangenen Fällen führte die Prüfung des SMD nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages und zahlte die Klägerin der Beklagten jeweils eine Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Höhe von 300,00 EUR, insgesamt 8.700,00 EUR.

Am 15.12.2016 hat die Klägerin - ohne die Beklagte zuvor zur Erstattung aufgefordert zu haben - Klage auf Zahlung von 8.700 EUR (für 29 Prüffälle á 300,00 EUR) erhoben. Sie vertritt die Auffassung, sie habe in den 29 streitigen Behandlungsfällen zu Unrecht eine Aufwandspauschale von 300,00 EUR gezahlt. Ihr stehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auf Rückzahlung dieser Aufwandspauschale zu, weil es sich um sachlich-rechnerische Prüfungen gehandelt habe, die nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG), die sie sich zu eigen mache, von der Regelung des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V nicht erfasst würden. Das BSG habe in der Entscheidung vom 25.10.2016 (B 1 KR 22/16 R) herausgestellt, dass die Gesetzesänderung zum 01.01.2016 keine Rückwirkung habe. Es habe auch deutlich gemacht, dass es nicht darauf ankomme, als was eine Prüfung ursprünglich bezeichnet gewesen sei; maßgeblich sei ausschließlich der Inhalt der Prüfung. In allen hier streitgegenständlichen Behandlungsfällen habe sie nicht die Wirtschaftlichkeit geprüft, sondern ausschließlich die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte zu verurteilen, ihr 8.700,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.12.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Rückforderung für unbegründet. Sie stützt sich auf ein Rechtsgutachten des Vorsitzenden Richter am BSG a.D., Dr. I., vom 04.01.2016. Den Rechnungen der Beklagten sei nach Prüfung durch den SMD seitens der Klägerin zu keinem Zeitpunkt widersprochen worden. Vielmehr habe die Klägerin - ohne jeglichen Einwand oder Vorbehalt - auf entsprechende Rechnungen der Beklagten die nun erstmalig streitig gestellten Aufwandspauschalen nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V entrichtet. Die Klägerin habe letztlich mit der ungeminderten Vergütung der betreffenden Rechnungen sowie der damit korrespondierenden Entrichtung der Aufwandspauschalen nachweislich zum Ausdruck gebracht, dass die vom SMD im Rahmen der Begutachtung nach § 275 Abs. 1 SGB V geprüften Fälle im Sinne der Vorschrift des § 275 Abs. 1...

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